Experimentelle Archäologie | archaeometallurgie.de
Nov 4 2018

Bienenkorbglocke läutet zum ersten Mal

Bastian Asmus

Karolingische Bienenkorbglocke läutet

Zum ersten Mal seit dem die Glocke von Canino – die älteste erhaltene gegossene Kirchenglocke – verstummte konnten wir am Freitag, den 26.10.2018 den Klang einer solchen Bienenkorbglocke vernehmen.

Diese Rekonstruktion ist einzigartig,

denn diese Glocke ist nicht nur in der Rippe der Caninoglocke gegossen, wie das bereits seit einigen Jahrzehnten zu verschiedenen Anlässen und für wissenschaftlichen Untersuchungen erfolgt ist. Siehe hierzu de verschiedenen vorzüglichen Arbeiten des Kollegen Hans Drescher . Nein, diese Rekonstruktion bemüht sich um eine material- und herstellungsgerechte Rekonstruktion. Was meine ich mit einer herstellungsgerechten Rekonstruktion? Diese Frage ist einfach zu beantworten, auch wenn sie nicht leicht, oder es u.U. sogar unmöglich ist, dies auch umzusetzen:

Eine herstellungsgerechte Rekonstruktion bemüht sich darum den originalen Herstellungsprozess derartig zu rekonstruieren und umzusetzen, dass sich der resultierende Gegenstand neben Material, Form und Gestalt, auch in der Art und Weise seiner Herstellung nicht vom des Original unterscheidet.

Glockenturm für die Bienenkorbglocke auf dem Campus Galli. Turm, Joch und Glocke können nun für die kommenden Jahre auf ihre Tauglichkeit hin getestet werden.

Die Bienekorbglocke läutet im eigens daür gebauten Glockenturm auf dem Campus Galli. Turm, Joch und Glocke können nun für die kommenden Jahre auf ihre Tauglichkeit hin getestet werden.

Angewandte Archäometallurgie

Die angewandte Archäometallurgie befasst sich, wie der Name schon erahnen lässt mit der Anwendbarkeit archäologisch, geschichtlich und naturwissenschaftlich informierter Interpretationen. Ziel ist es, ganz im Sinne des Handwerks, eine in der Praxis anwendbare und für die jeweils untersuchte Epoche auch technologisch umsetzbare Prozesse zu rekonstruieren, die ein möglichst deckungsgleiches Ergebnis im Vergleich zum Originalfund und Befund zu liefern vermögen. Sie ist somit der experimentellen Archäologie wesensverwandt. Im Unterschied zu dieser formuliert sie zusätzlich den Wunsch nach Anwendbarkeit und Praxistauglichkeit im Sinne pragmatisch(er) agierender Handwerker. Denn neben dem reinen Funktionieren einer Methode haben sich diese auch um weitere Aspekte wie beispielsweise den Herstellungsaufwand,  Rohmaterialverfügbarkeit, Rohmaterialbeschaffung, Lebensunterhalt und Absatz ihrer Produkte zu kümmern.

Die Campus Galli Glocke, der Turm und das Joch

Die Rekonstruktion der Glockenherstellung erfolgte über die letzten drei Jahre und wurde hier schon in zahlreichen Beiträgen beschrieben, z.B hier oder hier, oder hier. Neben einer Fachpublikation  führten die Experimente auch zu einer Rekonstruktion für die Romanische Bartholomäuskapelle in Paderborn, die im August 2019 dort aufgehängt werden wird.

Für die Rekonstruktion wurde von den Handwerkern des Campus Galli ein Glockenturm und ein Joch entworfen, welche nun in den nächsten Jahren auf ihre Praxistauglichkeit hin getestet werden können. Die Quellenlage für Joche von frühen Bienenkorbglocke ist sehr dünn: Einzig ein Joch der Haithabuglocke ist erhalten . Daneben existiert die Beschreibung von Theophilus Presbyter, die aufgrund ihres interpretationsbedürftigen Charakters, noch immer auch eine praktische Umsetzung wartet.

Am Nachmittag des 26.10.2018 ist es dann soweit: Die Bienenkorbglocke läutet zum ersten Mal, und entschädigt mit ihrem Klang aus der Karolingerzeit für so manche Fehlversuch in den vergangenen drei Jahren.

Literatur

Drescher, H. (1995) ‘Gießformen früher Glocken aus Mainz’, Mainzer Zeitschrift, 90/91, pp. 183–225.
Drescher, H. (1992) ‘Glocken und Glockenguss im 11. und 12. Jahrhundert’, in G. Waurick and H.W. Böhme (eds) Das Reich der Salier 1024 - 1125 : Katalog zur Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz; [Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz, Speyer, vom 23. März bis 21. Juni 1992]. Sigmaringen: Thorbecke (Publikationen zur Ausstellung ‘Die Salier und Ihr Reich’ / Ausstellung Das Reich der Salier 1024 - 1125, 1992 Speyer), pp. 405–414.
Asmus, B. (2016) ‘Theophilus und der Guss einer Bienenkorbglocke. Ein Experiment’, Der Anschnitt, 68(1–2), pp. 45–60.
Drescher, H. (1984) ‘Glockenfunde von Haithabu’, in K. Schietzel (ed.) Das archäologische Fundmaterial IV. Neumünster (Berichte zur Ausgrabung in Haithabu).

Okt 25 2017

Kurzdoku – Lieblingswerkzeug der Zapfenmacher?

Bastian Asmus


Eine Konusreibahle für den Zapfenmacher

Die Zapfenmacher gehörten zu den Rotschmieden. Hier geht es um die recht einfache Frage, wie das konische Loch des Zapfhahns bearbeitet wurde. Obwohl man das natürlich komplett manuell machen kann, wie ich das in den Kurzdokus gezeigt hatte, ist es höchst unwahrscheinlich, dass dies beispielsweise bei den Nürnberger Rotschmieden oder Zapfenmachern auch tatsächlich so gemacht wurde. Denn das Einschleifen der Küken in den Hahn erfordert selbst bei guter Passgenauigkeit beim Guss einige Stunden. Selbstverständlich ist es nicht der zeitliche Aufwand, der mich veranlasst hat, das Einschleifen des Kükens genauer  zu untersuchen. Es sind diese Abbildungen in den Nürnberger Hausbücher der Zwölfbrüderstiftung und in Christoph Weigels Ständebuch .

Zapfenmacher Hans Zeuller

Rotschmied und Zapfenmacher Hans Zeuller

Rotschmied Hans Zeuller mit einer Konusreibahle. Quelle: Wikimedia Commons

Gut zu erkennen ist das Werkzeug mit dem Hans Zeuller die Innenseite des Zapfhahns bearbeitet. Es ist anzunehmen, dass es sich um eine Art konischer Reibahle handelt; also einem Werkzeug, Continue reading


Apr 7 2016

Glockengießerei nach Theophilus Presbyter

Bastian Asmus

Glockengießerei nach Theophilus Presbyter. Photo: Oliver Bonstein

Guss der Glockenspeise während des Gusses einer Bienenkorbglocke. Photo: © Oliver Bonstein 2015.

Im neuesten Anschnitt ist soeben ein Artikel zur experimentellen Glockengießerei nach Theophilus Presbyters Glockengusskapitel erschienen .

Der Artikel behandelt neben der Beschreibung des archäometallurgischen Versuchs auch die archäologischen und historischen Quellen zur Glockengießerei. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Rekonstruktion des Formstoffs, sowie der Rekonstruktion eines von Theophilus Presbyters beschriebenen Schmelzofen, der nach dem Kaminprinzip arbeitet. Überlegungen und Berechnungen zum Energiebedarf runden den Artikel ab. Es konnte z.B. gezeigt werden, dass mit Theophilus‘ Ofen eine Metallmenge von 44 kg Glockenspeise (CuSn20) mit nur 36 kg Holzkohle schmelzen ließ.

Abstract

article-iconDer Autor Theophilus Presbyter hat uns ein sehr umfangreiches Manuskript hinterlassen in welchen er den Stand der Technik des 12. Jahrhunderts dokumentiert. Er behandelt darin Malerei, Glasherstellung, Goldschmiedekunst, Schmieden, Orgelbau und die Gießerei. Außerdem wird beschrieben, welche Werkzeuge notwendig und wie diese herzustellen sind.

Ein Kapitel ist dem Glockenguss gewidmet. Es ist das umfangreichste in Theophilus‘ Schedula und beschreibt den Prozess sehr detailliert. Dieser Artikel beschreibt einen Versuch zum Glockenguss, der sich an die Vorschriften aus Theophilus Presbyters gleichnamigen Kapitel hält und dabei die archäologischen Funde und Befunde zum frühen Glockenguss berücksichtigt.

Literatur

Asmus, B. (2016) ‘Theophilus und der Guss einer Bienenkorbglocke. Ein Experiment’, Der Anschnitt, 68(1–2), pp. 45–60.

Okt 24 2015

Glocke der Karolingerzeit – Fazit zum Experiment

Bastian Asmus
Die fertig gegossene Glocke.

Die Glocke nach dem Guss. Sie klingt, aber sie ist unvollständig. Die hellen Stellen sind Reste des noch anhaftenden Formmaterials.

Der Klang der Glocke entspricht den Erwartungen an eine Bienenkorbglocke des 9. Jahrhunderts, und zeigt dass der Gießer weniger Einfluss auf den Klang der Glocke hatte, als das der Fall für die späteren Glocken mit Zuckerhutform der Fall ist. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass die Glocke noch im ungeputzten Zustand angeschlagen wurde. Mit Sicherheit können wir noch einen etwas schöneren Klang erreichen, wenn die Glocke geputzt ist. Sowie ich das erledigt habe, werde ich das hier veröffentlichen.

Die Glocke ist gegossen

Lange hat es gedauert bis es soweit war. Ich habe die vorhergehenden Schritte hier und hier und hier beschrieben. Noch genauer habe ich das hier beschrieben .  Am Montag, den 19.10.15,  nach zwei Nachtschichten die ich mit dem Hüten des Feuers verbracht hatte, war es soweit: Die Glockengussform war trocken, das Metall war bereit gelegt und das Wetter schien mit zu spielen: Die Bienenkorbglocke konnte auf dem Campus Galli gegossen werden. Gegen 6.00 morgens machte ich mich daran den Arbeitstag vorzubereiten: Der Schmelzofen musste vorgeheizt werden, die Glockenform musste am unteren Ende noch verschlossen werden, die Tiegel mussten vor der Verwendung ausgeheizt werden, die Grube mit Erde aufgefüllt werden….

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Jul 10 2015

Bienenkorbglocke, was bisher geschah

Bastian Asmus

Große Drehlade zum Formen von Glocken

Es dauert so lange, wie es dauert

Vor einiger Zeit verbrachte ich einige Tage auf dem Gelände des Campus Galli bei Meßkirch, um eine Bienenkorbglocke zu gießen. Am Wochenende vom 27./28. Juni ist der Gusskern fertig geworden. Entgegen des gesetzten Zieles, konnte an jenem Sonntag nicht Glocke gegossen werden. Zum einen brach mir der Gusskern am zweiten Abend auseinander, zum anderen war mein Zeitplan sehr ehrgeizig. Gründe genug also, sich dem Wahlspruch der Kollegen des Campus Galli zu eigen zu machen: Es dauert so lange, wie es dauert!

Meine Erfahrung des gebrochenen Kerns lassen indirekt auch in der schedula diversarum artium des Benediktiners Theophilus Presbyter zum Glockenguss nach lesen .

Theophilus Presbyter De fundendis camapanis

Ausschnitt aus Theophilus Presbyters de diversis artibus, Harley MS 3915. Hier sehen wir Theophilus Warnung die Lehmschichten trocknen zu lassen, bevor eine neue aufgetragen wird.

Quo facto, sume ipsum lignum et circumpone ei argillam fortiter maceratam, inprimis duobus digitis spissam, qua diligenter siccata, suppone ei alteram, sicque facies donec forma compleatur quantam eam habere volueris, et cave ne unquam superponas argillam alteri nisi inferior omnino sicca fuerit.

Ist das getan,  nimm die Holzspindel und umgib sie mit kräftig durchgeknetetem Ton, zunächst von 2 Finger Dicke. Ist dieser sorgfältig getrocknet, lege den nächsten darüber, und so mache es bis die From fertig ist, so groß wie du sie haben willst. Und achte darauf, dass Du niemals eine Tonlage auf die andere aufträgst, ehe die darunterliegende vollständig getrocknet ist.

Seiner eindrücklichen Warnung folgt zwar keine Nennung einer Konsequenz, jedoch ist anzunehmen, dass den damaligen Handwerkern ähnliche Missgeschicke passiert sind: Befolgt man die Anweisung nicht – etwa um einen ehrgeizigen Zeitplan einhalten zu wollen – passiert das was mir passiert ist: Der (zu) feuchte Tonkern bricht aus einander. Warum ist das so? Continue reading


Jun 5 2015

Guss einer Bienenkorbglocke

Bastian Asmus

Am Wochenende  27./28. Juni 2015 werde ich im Campus Galli Projekt eine bronzene rekonstruierte mittelalterliche Bienenkorbglocke gießen. Das Ziel der Rekonstruktion ist der Guss einer funktionierenden Glocke, wobei nur authentische Arbeitstechniken zum Einsatz kommen. Dies gilt sowohl für die Herstellung des Glockenmodells, der Gussform, als auch für das Schmelzen und Gießen des Glockenmetalls.

Bienkorbgocke, auch Theophilusglocke genannt aus dem 11. Jahrhundert. Diese stammt aus Hachem.

Eine Bienenkorbglocke aus dem 11. Jahrhundert ist diese Bienenkorbglocke aus Hachen. Quelle: Verändertes Photo von Vincent Duseigne via Wikimedia Commons.

Das Campus Galli Projekt hat sich die Rekonstruktion des St. Gallener Klosterplans aus dem neunten Jahrhundert zum Ziel gemacht. Die drei Bienenkorbglocken die zunächst für eine Rekonstruktion in Frage kommen, sind die Glocken von Canino in Oberitalien, die Glocke aus Haithabu, sowie die Glocke von Hachen. Bei diesen Glocken handelt es sich um Glocken deren Form an einen Bienenkorb erinnert. Da die Technik des Glockengusses vom Benediktinermönch Theophilus Presbyter zu Beginn des 12. Jahrhunderts beschrieben wurde, werden diese Glocken auch Theophilusglocken genannt. Der Vergleich der Glocken mit der Beschreibung des Mönchs, lässt den Schluss zu, dass dieser eine lebendige Tradition beschrieb, die mindestens bis in das 9. Jahrhundert, vermutlich aber noch weiter, zurückreicht. Bemerkenswert sind z.B. die dreieckigen Löcher, die sich auch an der Glocke aus Hachen befinden, hier aber nur angedeutet sind. Theophilus war der Meinung, dass es sich dabei um Klanglöcher handele. Moderne Versuche von Hans Drescher haben ergeben, dass dies nicht der Fall ist, und die Löcher nicht zum Klang beitragen . Continue reading