Bienenkorbglocke | archaeometallurgie.de
Nov 4 2018

Bienenkorbglocke läutet zum ersten Mal

Bastian Asmus

Karolingische Bienenkorbglocke läutet

Zum ersten Mal seit dem die Glocke von Canino – die älteste erhaltene gegossene Kirchenglocke – verstummte konnten wir am Freitag, den 26.10.2018 den Klang einer solchen Bienenkorbglocke vernehmen.

Diese Rekonstruktion ist einzigartig,

denn diese Glocke ist nicht nur in der Rippe der Caninoglocke gegossen, wie das bereits seit einigen Jahrzehnten zu verschiedenen Anlässen und für wissenschaftlichen Untersuchungen erfolgt ist. Siehe hierzu de verschiedenen vorzüglichen Arbeiten des Kollegen Hans Drescher . Nein, diese Rekonstruktion bemüht sich um eine material- und herstellungsgerechte Rekonstruktion. Was meine ich mit einer herstellungsgerechten Rekonstruktion? Diese Frage ist einfach zu beantworten, auch wenn sie nicht leicht, oder es u.U. sogar unmöglich ist, dies auch umzusetzen:

Eine herstellungsgerechte Rekonstruktion bemüht sich darum den originalen Herstellungsprozess derartig zu rekonstruieren und umzusetzen, dass sich der resultierende Gegenstand neben Material, Form und Gestalt, auch in der Art und Weise seiner Herstellung nicht vom des Original unterscheidet.

Glockenturm für die Bienenkorbglocke auf dem Campus Galli. Turm, Joch und Glocke können nun für die kommenden Jahre auf ihre Tauglichkeit hin getestet werden.

Die Bienekorbglocke läutet im eigens daür gebauten Glockenturm auf dem Campus Galli. Turm, Joch und Glocke können nun für die kommenden Jahre auf ihre Tauglichkeit hin getestet werden.

Angewandte Archäometallurgie

Die angewandte Archäometallurgie befasst sich, wie der Name schon erahnen lässt mit der Anwendbarkeit archäologisch, geschichtlich und naturwissenschaftlich informierter Interpretationen. Ziel ist es, ganz im Sinne des Handwerks, eine in der Praxis anwendbare und für die jeweils untersuchte Epoche auch technologisch umsetzbare Prozesse zu rekonstruieren, die ein möglichst deckungsgleiches Ergebnis im Vergleich zum Originalfund und Befund zu liefern vermögen. Sie ist somit der experimentellen Archäologie wesensverwandt. Im Unterschied zu dieser formuliert sie zusätzlich den Wunsch nach Anwendbarkeit und Praxistauglichkeit im Sinne pragmatisch(er) agierender Handwerker. Denn neben dem reinen Funktionieren einer Methode haben sich diese auch um weitere Aspekte wie beispielsweise den Herstellungsaufwand,  Rohmaterialverfügbarkeit, Rohmaterialbeschaffung, Lebensunterhalt und Absatz ihrer Produkte zu kümmern.

Die Campus Galli Glocke, der Turm und das Joch

Die Rekonstruktion der Glockenherstellung erfolgte über die letzten drei Jahre und wurde hier schon in zahlreichen Beiträgen beschrieben, z.B hier oder hier, oder hier. Neben einer Fachpublikation  führten die Experimente auch zu einer Rekonstruktion für die Romanische Bartholomäuskapelle in Paderborn, die im August 2019 dort aufgehängt werden wird.

Für die Rekonstruktion wurde von den Handwerkern des Campus Galli ein Glockenturm und ein Joch entworfen, welche nun in den nächsten Jahren auf ihre Praxistauglichkeit hin getestet werden können. Die Quellenlage für Joche von frühen Bienenkorbglocke ist sehr dünn: Einzig ein Joch der Haithabuglocke ist erhalten . Daneben existiert die Beschreibung von Theophilus Presbyter, die aufgrund ihres interpretationsbedürftigen Charakters, noch immer auch eine praktische Umsetzung wartet.

Am Nachmittag des 26.10.2018 ist es dann soweit: Die Bienenkorbglocke läutet zum ersten Mal, und entschädigt mit ihrem Klang aus der Karolingerzeit für so manche Fehlversuch in den vergangenen drei Jahren.

Literatur

Drescher, H. (1995) ‘Gießformen früher Glocken aus Mainz’, Mainzer Zeitschrift, 90/91, pp. 183–225.
Drescher, H. (1992) ‘Glocken und Glockenguss im 11. und 12. Jahrhundert’, in G. Waurick and H.W. Böhme (eds) Das Reich der Salier 1024 - 1125 : Katalog zur Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz; [Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz, Speyer, vom 23. März bis 21. Juni 1992]. Sigmaringen: Thorbecke (Publikationen zur Ausstellung ‘Die Salier und Ihr Reich’ / Ausstellung Das Reich der Salier 1024 - 1125, 1992 Speyer), pp. 405–414.
Asmus, B. (2016) ‘Theophilus und der Guss einer Bienenkorbglocke. Ein Experiment’, Der Anschnitt, 68(1–2), pp. 45–60.
Drescher, H. (1984) ‘Glockenfunde von Haithabu’, in K. Schietzel (ed.) Das archäologische Fundmaterial IV. Neumünster (Berichte zur Ausgrabung in Haithabu).

Jul 3 2018

Eine romanische Bienenkorbglocke für die Bartholomäuskapelle

Bastian Asmus


Besuch bei Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck.

Eine romanische Bienenkorbglocke für die Bartholomäuskapelle soll es werden. Was für eine großartige Entwicklung aus der experimentellen Archäologie heraus! Nachdem ich seit 2015 an der Rekonstruktion der von Theophilus Presbyter beschriebenen Glockengusstechnik gearbeitet habe , und die dieses Jahr endlich zu der lange ersehnten Glocke für den Campus Galli geführt hat, geht es nun noch einen großen Schritt weiter: Denn nicht nur möchte das Metropolitankapitel Paderborn, im Rahmen der 950 Jahrfeier des Imad-Domes zeigen, wie eine Bienenkorbglocke um das Jahr 1000 gegossen wurde. Nein, diese Glocke ist für die romanische Bartholomäuskapelle, die 2017 ihr 1000 jähriges Bestehen feierte.

Bartholomäuskapelle, der Dachreiter für die romanische Kapelle ist noch leer!

Die Paderborner Bartholomäuskapelle aus dem 11. Jahrhundert. Wie gut zu erkennen ist, ist der Dachreiter noch leer! Hier soll die neue romanische Glocke aufgehängt werden.

Die Bartholomäuskapelle ist nicht nur einfach eine romanische Kapelle, sie ist eine bedeutende architektonische Leistung des hohen Mittelalters, die mit ihren byzantinischen Stilelementen keine direkten Vorläufer oder Folgebauten besitzt. Diese älteste Hallenkirche Deutschlands wurde zu ottonischer Zeit als Pfalzkapelle im Zuge des Neubaus der Paderborner Pfalz errichtet.

Eine romanische Bienenkorbglocke entsteht

Die Bartholomäuskapelle bekommt eine Glocke, die zu ihrer Entstehungszeit passt. Als Vorbild für die neue Glocke, fiel die Wahl auf eine romanische Bienenkorbglocke aus Nordrhein-Westfalen. Die Glocke von Hachen ist heute im Glockenmuseum der Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck zu bestaunen, welche die Glocke 1938 von der Glockengießerei Heinrich Hupert aus Brilon erwarben. Die Gebrüder Grassmayr erlaubten es mir die Glocke genau zu vermessen, so dass eine Neuschöpfung dieses Glockentyps gelingen kann. Dabei geht es geht hier nicht darum eine genaue Kopie der Hachener Glocke zu fertigen. Vielmehr ist sie als Vorbild zu sehen, um eine „neue romanische“ Glocke zu gießen. Die Technologie des Glockengusses ist dieselbe, wie die zur Herstellung der Canino-Glocke von mir rekonstruiert und experimentell durchgeführt wurde; also das Wachsausschmelzverfahren, wie es bei Theophilus Presbyter beschrieben wurde .

Bell of Hachen

Glocke von Hachen, heute im Glockenmuseum Grassmayr in Innsbruck. Im Vergleich zu der frühen Canino Glocke, besitzt diese Glocke hier bereits eine ausgeprägte Flanke und Schulter.

 

Um das Jahr 1017 hatte man schon mindestens zwei Jahrhunderte Erfahrungen im kirchlichen Glockenguss. Neben der Wandstärke der Rippe, hat sich auch die Bienenkorbform von einer eiförmigen zu einer Form entwickelt, die bereits ausgeprägte Flanken und Schulter besaß. Selbst die Klanglöcher sind oft nur noch als typologisches Rudiment vorhanden. Neben den gusstechnischen Fragen treten nun insbesondere Fragen, welche die konzeptuelle Seite der Glockenentwicklung betreffen:

  • lassen sich die verschiedenen Maße der Glocke in ein bestimmtes Verhältnis setzen?
  • wie wurde im Mittelalter eine Glocke konzipiert?
  • welche Möglichkeiten der Vermessung gab es?
  • wie genau lässt sich der Klang vorhersagen?

Hierzu wurden alle Rippen zeitgleicher Glocken studiert und verglichen. Drescher hat hier bereits sehr wertvolle Arbeit geleistet , auf die zurück-gegriffen werden kann.

Exkurs: Die Fingerabdrücke des Hachener Glockengießers

Während der Untersuchung der Hachener Glocke konnte ich die Fingerabdrücke meines von 1000 Jahre lebenden Kollegen in der Glocke entdecken. Das ist auch für einen Archäologen ein äußerst beeindruckender Moment gewesen.

fingerabdrücke

1000 Jahre alte Fingerabdrücke meines „Kollegen“ im Henkel der Hachener Glocke! Breite des abgebildeten Henkels: 33mm.

In der Romanik noch immer ohne Schablone

Wie kann man sich den Herstellungsprozess vorstellen? Hat ein Geistlicher eine andere Glocke gesehen und den Wunsch entwickelt, ebenfalls eine Glocke zu besitzen. Wurde dann der Wunsch geäußert: „Ich hätte gerne eine Glocke wie die aus Mainz?“ oder war es doch ganz anders?  Diese Fragen werde ich wohl so schnell nicht beantworten können. Aber, da Theophilus noch einmal hundert Jahre später noch immer nicht von der Schablone spricht, müssen wir davon ausgehen dass die Rippen der Glocken auf eine andere Art und Weise hergestellt wurde. Ein direkter Vergleich verschiedener Rippen war somit nicht möglich, und erklärt deshalb auch, warum sich die Klangfindung der frühen Glocken zunächst wohl auf den Zufall stützen musste. Denn es dürfte klar sein, dass erst die Dokumentation der Glockenrippe zu kontrollierten Versuchen zum Einfluss der Rippe auf den Klang geführt haben dürften.

Die Bienenkorbglocke von St. Georg, Lutter am Barenberge aus dem 12. Jahrhundert, auch Ribernus Glocke genannt, besitzt eine ähnliche Form wie die Glocke aus Hachen. Quelle: Sebastian Wamsiedler http://www.glockenberatung.de.

Mit der Herstellung der romanischen Glocke für Paderborn stellt sich für mich gewissermaßen ein ähnliches Problem. Ich habe einen Auftraggeber, der eine Glocke kennt, die er gerne möchte. Ich kann mir die Glocke ansehen, und vermessen, kann aber das Schablonierverfahren nicht nutzen um die Rippe zu übertragen, da dieses im 11. Jahrhundert nicht bekannt war. Also kann ich die mit dem Greifzirkel erfassten Abmessungen mit dem Greifzirkel übertragen. Hierbei ergeben sich zwangsläufig Ungenauigkeiten, die, so vermute ich aber kein Problem darstellten. Dennoch fragt man sich bei der Arbeit, ob den Maßen nicht eine Art Faustregel zu Grunde liegt. Drescher spricht hier vom Grundmaß, welches er als den Durchmesser der Glocke am Schlagring definiert.

Die Hachener Glocke besitzt ein Verhältnis der Höhe zum Schlagring von 5:4, sowie ein Verhältnis des Durchmesser an der Schulter zur Gesamthöhe der Glocke von 1:2, sowie ein Verhältnis von etwa 1:1 Schlagringdurchmesser zur Höhe des Klangkörpers. Weitere eindeutige Verhältnisse konnten bisher jedoch nicht festgestellt werden, insbesondere zur Schweifung der Glockenflanke.

Dokumentation

Das Projekt wird als Videolog dokumentiert und in mehreren Kurzfilmen festgehalten. Bisher sind die ersten vier Arbeitstage von statten gegangen, die allerdings nicht mit den Prozesstagen gleichzusetzen sind, da der relativ massive Gusskern mehrere Tage zum Trocknen benötigt. Bisher dauert der Prozess seit dem 23.6.2018 an, damit sind bis zum Schreiben (3.7.2018) dieses Artikels bereits elf Prozesstage vergangen.

Tag 1 und 2 Romanische Bienenkorbglocke

Tag 3 und 4 Romanische Bienenkorbglocke

Tag 5 und 6 Romanische Bienenkorbglocke

Tag 7 bis 10 Romanische Bienenkorbglocke

Tag 11 bis 15 Romanische Bienenkorbglocke

Literatur

Drescher, H. (1995) ‘Gießformen früher Glocken aus Mainz’, Mainzer Zeitschrift, 90/91, pp. 183–225.
Asmus, B. (2016) ‘Theophilus und der Guss einer Bienenkorbglocke. Ein Experiment’, Der Anschnitt, 68(1–2), pp. 45–60.
Brepohl, E. (1999) Theophilus Presbyter und das mittelalterliche Kunsthandwerk. Band 2 Goldschmiedekunst. Böhlau.
Theobald, W. (1984) Technik des Kunsthandwerks im zwölften Jahrhundert des Theophilus Presbyter. Diversarum artium schedula. Düsseldorf: VDI-Verl (Klassiker der Technik).
Hawthorne, J.G. and Smith, C.S. (1979) Theophilus: On divers arts : the foremost medieval treatise on painting, glassmaking and metalwork / Theophilus / translated from the Latin with introduction and notes by John G. Hawthorne and Cyril Stanley Smith. New York: Dover.

 


Mai 4 2018

Karolingische Bienenkorbglocke gegossen

Bastian Asmus

Eine Bienenkorbglocke für den Campus

Die Bienenkorbglocke für den Campus Galli ist erfolgreich gegossen. –Drei Anläufe waren notwendig eine vollständige Glocke zu gießen. Nun ist am 28.4.2018 zum ersten Mal seit hunderten von Jahren eine Bienenkorbglocke nach den Vorschriften des Theophilus Presbyter erfolgreich gegossen worden. Der Klang ist bereits jetzt – obgleich die Glocke noch nicht bearbeitet ist – atemberaubend und zeigt den für Bienenkorbglocken typischen, herben Klang. – Ich bin begeistert! Die Glocke von Canino ist nun nicht nur in ihrer Form und Gestalt, sondern auch in ihrer Herstellungsweise kompromisslos nach der vorzüglichen mittelalterlichen Handschrift des Theophilus Presbyter gefertigt worden . Die Glockengussexperimente auf dem Campus Galli sind damit endlich zu einem vorläufigen glücklichen Ende gekommen. Die Glocke kann noch bis Pfingsten auf dem Campus Galli als Rohguss betrachtet werden. Danach wird sie bearbeitet und auf dem Campus installiert.-

Henkel der Bienenkorbglocke

Angewandte Archäometallurgie: Der Henkel der vollständigen Bienenkorbglocke von Gussexperiment Nr. 3 im Jahr 2018.

 

Die Bienenkorbglocke

Die Bienenkorbglocke richtet sich in ihrer Form nach der ältesten bekannten gegossenen Bronzeglocke: Der Glocke von Canino.- Sie hat einen Durchmesser von 39 cm am Schlagring und wiegt 44 kg. Man beachte die dreieckigen Schall- oder Klanglöcher dieser Glocke aus dem 8./9. Jahrhundert. Auch Theophilus beschreibt diese noch im 12. Jahrhundert. Nach der einhelligen Meinung der Campanlogen tragen diese allerdings nicht zum Schall bei.

Canino bell drawing

Zeichnung der Glocke von Canino in der Erstpublikation dieses Fundes [zotpressInText item="{4ICDYHGU}"].

Bienenkorbglockenguss im Mittelalter ist nur  gemeinschaftlich zu schaffen

Neben vielen technischen Details auf die zu einem späteren Zeitpunkt noch eingegangen werden wird, ist das wohl wichtigste Fazit, dass ein großes und gut aufeinander eingespieltes Team vonnöten ist und den Guss erfolgreich zu meistern. Dies ist uns dieses Jahr in besonders guter Weise gelungen. Dies lässt auch ein paar Schlüsse für die Vergangenheit zu, denn es ist gute Kommunikation notwendig um den gesamten Prozess erfolgreich umzusetzen.

Einige Wermutstropfen bleiben dennoch

Zwar ist die Glocke vollständig, aber die zu untersuchenden Eigenschaften des Formlehms habe auch zu unerwünschten Effekten geführt. Zum einen wurde dieses Mal nur eine schlechtere Gussoberflächenqualität erreicht, zum anderen kam es erstmalig zum Bruch der Form. Durch die Verdämmung und besonnenes Handeln während des Gusses konnte die Glocke gerettet, werden, obwohl die Form unterhalb des Henkels gebrochen ist. Dennoch hat dies einen negativen Einfluss auf den Henkel gehabt, was im Bild ganz oben gut erkennbar ist.

Ausblick

Die nächste Glocke die ich auf diese Weise gießen werde ist die Glocke von Hachen. Diese ist heute im Glockenmuseum Grassmayr zu sehen, die ich aufgrund des überaus freundlichen Entgegenkommens von Seiten Johannes Grassmayrs im dortigen Museum vermessen darf.  In diesem Versuch werden neben bewährten Lehmrezepturen, weitere Feinheiten des Formbrandes, sowie der Schmelzführung untersucht werden.

Literatur

Asmus, B. (2016) ‘Theophilus und der Guss einer Bienenkorbglocke. Ein Experiment’, Der Anschnitt, 68(1–2), pp. 45–60.

Links

Infothek Artikel auf der Campus Galli Webseite

Südkurier Artikel vom 2.5.2018

Artikel auf Schwaebische.de vom 30.4.2018


Apr 7 2016

Glockengießerei nach Theophilus Presbyter

Bastian Asmus

Glockengießerei nach Theophilus Presbyter. Photo: Oliver Bonstein

Guss der Glockenspeise während des Gusses einer Bienenkorbglocke. Photo: © Oliver Bonstein 2015.

Im neuesten Anschnitt ist soeben ein Artikel zur experimentellen Glockengießerei nach Theophilus Presbyters Glockengusskapitel erschienen .

Der Artikel behandelt neben der Beschreibung des archäometallurgischen Versuchs auch die archäologischen und historischen Quellen zur Glockengießerei. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Rekonstruktion des Formstoffs, sowie der Rekonstruktion eines von Theophilus Presbyters beschriebenen Schmelzofen, der nach dem Kaminprinzip arbeitet. Überlegungen und Berechnungen zum Energiebedarf runden den Artikel ab. Es konnte z.B. gezeigt werden, dass mit Theophilus‘ Ofen eine Metallmenge von 44 kg Glockenspeise (CuSn20) mit nur 36 kg Holzkohle schmelzen ließ.

Abstract

article-iconDer Autor Theophilus Presbyter hat uns ein sehr umfangreiches Manuskript hinterlassen in welchen er den Stand der Technik des 12. Jahrhunderts dokumentiert. Er behandelt darin Malerei, Glasherstellung, Goldschmiedekunst, Schmieden, Orgelbau und die Gießerei. Außerdem wird beschrieben, welche Werkzeuge notwendig und wie diese herzustellen sind.

Ein Kapitel ist dem Glockenguss gewidmet. Es ist das umfangreichste in Theophilus‘ Schedula und beschreibt den Prozess sehr detailliert. Dieser Artikel beschreibt einen Versuch zum Glockenguss, der sich an die Vorschriften aus Theophilus Presbyters gleichnamigen Kapitel hält und dabei die archäologischen Funde und Befunde zum frühen Glockenguss berücksichtigt.

Literatur

Asmus, B. (2016) ‘Theophilus und der Guss einer Bienenkorbglocke. Ein Experiment’, Der Anschnitt, 68(1–2), pp. 45–60.

Jan 25 2016

Älteste Glockengussgrube Deutschlands entdeckt

Bastian Asmus

 

Glockengießgrube Dülmen

Dülmen, IGZ. Glockengussgrube während der Freilegung noch mit Profilstegen. Foto: Gerard Jentgens, LWL.

Vermutlich älteste Glockengussgrube Deutschlands

Archäologen vom Landschaftsverband Westphalen Lippe LWL haben bei einer Stadtkerngrabung in Dülmen Befunde entdeckt, bei denen es sich um eine Gießgrube für einen Glockenguss aus dem 9. Jahrhundert handeln könnte. Naturwissenschaftliche Untersuchen legen eine Datierung der Glockengussgrube in das 8./9, Jahrhundert nach Christus nahe. Solche Gruben sind notwending um große Gegenstände zu gießen. Wie man sich den karolingischen Glockenguss  vorstellen kann habe ich ja erst kürzlich hier beschrieben. Um so mehr freut es mich, dass es nun offensichtlich einen neuen Befund zum frühen Glockenguss gibt. Ob es sich bei dem Befund tatsächlich um eine Glockengussgrube handelt, geht aus dem kurzen Bericht jedoch nicht zwingend hervor, denn es gibt keine Belege für Fragmente einer Glockengussform. Es ließe sich argumentieren, das es sich um eine Gießgrube handeln könnte, in der andere Dinge gegossen wurden, obwohl gesagt werden muss, dass die größten gegossenen Objekte des 8./9. Jahrhunderts wohl Glocken gewesen sein dürften. Für kleinere Gussarbeiten benötigte man keine größeren Gruben.

Laut Grabungsleiter Dr. Gerard Jentgens sind Holzkohlenreste, Tiegelfragmente und oxidierte Buntmetallreste gefunden worden, die den Schluss nahe legen, dass es sich um eine Grube zum Glockenguss handeln könnte. Die Nennung der Tiegelreste ist hoch interessant, denn in dieser Zeit gibt es noch keine Nachweise für die Art und Weise, wie das Metall geschmolzen wurde.  Für das 12. Jahrhundert kennen wir Theophilus Presbyters Beschreibung . Dieser beschreibt aber einen Abstichofen, keinen Tiegelofen. In Ermangelung älterer Nachweise haben wir bisher so argumentiert, dass Theophilus eine Technik beschreibe, die auch schon vor seiner Zeit zur Anwendung kam. Weiters wird bisher davon ausgegangen, dass die Tiegelmaterialien keine genügenden Tiegelgrößen zu ließen, um das Metall für eine Kirchenglocke des 8./9. Jahrhunderts zu gießen. Die Glocke von Canino wog 48 kg, die Glocke aus Haithabu um die 35 kg.

Das entspräche einer Tiegelgröße mit einem Fassungsvermögen von mindestens 40 kg Metall. Zur Erinnerung: 40 kg Metall entsprechen in etwa 4 l flüssigem Metall, was mindestens einem Tiegeldurchmesser von etwa 22 cm Außendurchmesser und einer Höhe von 28 cm entspräche. Möglich wäre natürlich auch der Weg den ich in meinem Versuch eingeschlagen habe: Das Gießen aus mehreren kleinen Tiegeln. Es ist also sehr spannend, wie die Tiegel zu diesem Befund aussehen, wie die Keramikreste aussehen, oder welche weiteren, in er Pressemitteilung nicht genannten, Beobachtungen zu dem Schluss führten, dass es sich um eine Glockengussgrube handelt.

Ein ähnlich alter Befund stammt aus England und wurden on Justine Bayley und Kollegen  bearbeitet . Hier war allerdings der Nachweis des Glockengusses einfacher, da Formfragmente gefunden wurden.

Ich werde hier berichten, soweit weitere Details vorliegen.

Referenzen

Brepohl, E. (1999) Theophilus Presbyter und das mittelalterliche Kunsthandwerk. Band 2 Goldschmiedekunst. Böhlau.
Bayley, J., Bryant, R. and Heighway, C. (1993) ‘A tenth-century bell-pit and bell-mould from St Oswald’s Priory, Gloucester’, Medieval Archaeology, 37, pp. 224--236.

Links

http://www.lwl.org/pressemitteilungen/mitteilung.php?urlID=38349

 

 


Okt 24 2015

Glocke der Karolingerzeit – Fazit zum Experiment

Bastian Asmus
Die fertig gegossene Glocke.

Die Glocke nach dem Guss. Sie klingt, aber sie ist unvollständig. Die hellen Stellen sind Reste des noch anhaftenden Formmaterials.

Der Klang der Glocke entspricht den Erwartungen an eine Bienenkorbglocke des 9. Jahrhunderts, und zeigt dass der Gießer weniger Einfluss auf den Klang der Glocke hatte, als das der Fall für die späteren Glocken mit Zuckerhutform der Fall ist. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass die Glocke noch im ungeputzten Zustand angeschlagen wurde. Mit Sicherheit können wir noch einen etwas schöneren Klang erreichen, wenn die Glocke geputzt ist. Sowie ich das erledigt habe, werde ich das hier veröffentlichen.

Die Glocke ist gegossen

Lange hat es gedauert bis es soweit war. Ich habe die vorhergehenden Schritte hier und hier und hier beschrieben. Noch genauer habe ich das hier beschrieben .  Am Montag, den 19.10.15,  nach zwei Nachtschichten die ich mit dem Hüten des Feuers verbracht hatte, war es soweit: Die Glockengussform war trocken, das Metall war bereit gelegt und das Wetter schien mit zu spielen: Die Bienenkorbglocke konnte auf dem Campus Galli gegossen werden. Gegen 6.00 morgens machte ich mich daran den Arbeitstag vorzubereiten: Der Schmelzofen musste vorgeheizt werden, die Glockenform musste am unteren Ende noch verschlossen werden, die Tiegel mussten vor der Verwendung ausgeheizt werden, die Grube mit Erde aufgefüllt werden….

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