Metall, Schlacke und Keramik | archaeometallurgie.de
Jun 10 2019

Ein Löwenaquamanile wie aus der Romanik

Bastian Asmus

Löwenaquamanile im rohen Gusszustand

Das Löwenaquamanile direkt nach dem Guss. Das Aquamanile ist unbearbeitet!

Ein Löwenaquamanile aus der Romanike, sowei weitere Aquamanile hatte ich bereits modelliert und gegossen, aber das Thema lässt mich nicht mehr los. Hier ist also der nächste in der Familie, und er wird nicht der letzte sein. Es fehlen z.B. noch Senmurph, Drache und Einhorn…

Warum dieses Löwenaquamanile

Dieses Löwenaquamanile ist besonders, weil er eine seltene und auffällige seitliche Drehung des Kopfes zur Seite besitzt. Außerdem ist das „typische Programm“, bei dem der Wyvern –  der zweibeinige, geflügelte Drachen – nicht dem Löwen ins Genick beißt, sondern umgekehrt: Der Löwe dem Drachen ins Genick! Vielleicht muss der Löwe deshalb so grinsen, weil er dem Plagegeist Herr geworden ist..

Metalllegierung

Die Metalllegierung habe ich entsprechende der des Originals hergestellt. . Es handelt sich um eine Legierung mit vier Hauptbestandteilen, nach ihrem Anteil in absteigenden Massenanteilen sind dies Kupfer, Zink, Zinn und Blei.

Diese wird von den Kollegen, wie z.B.  Dandrigde als „quarternary alloy“ bezeichnet. In vorliegenden Falle besitzt dieses Löwenaquamanile die folgende Zusammensetzung in Masse-%:

Cu Zn Sn Pb
81,3 9,0 4,7

3,5

Diese Legierung wäre nach heutiger Terminologie eine bleihaltige Rotgusslegierung, für die es allerdings kein modernes Pendant gibt. Aufgrund ihrer Gehalte an Zink und Zinn ist diese gut gießbar, da die Zinn- und Zinkionen im Kristallgitter die gleichen Plätze einnehmen. Das Blei verbessert die spanbrechenden Eigenschaften, so dass sich diese Kupferlegierung gut bearbeiten lässt. Der Bleianteil verbessert die Dichtigkeit des Gefüges, was bei einem Wassergefäß durchaus erwünscht ist. Der Bleianteil hat einen negativen Effekt auf die Umformbarkeit des Gussstücks – Bleche lassen sich hieraus nicht fertigen – dies ist aber in diesem Anwendungsfall auch nicht gefragt.

Zweifellos waren hier Handwerker am beteiligt, die genau wussten, was sie taten, denn diese Legierung hat genau die Eigenschaften die sie benötigt.

Wachsmodell eins Löwenaquamaniles

Bienenwachsmodell eines Löwenaquamaniles nach einem Vorbild aus dem 13.Jahrhundert

Das Löwenaquamanile wurde in Handarbeit aus Bienenwachs modelliert. Dies hat in etwa 10 volle Arbeitstage in Anspruch genommen. Dies ist nicht als Hinweis zu deuten, dass dies in der Vergangenheit ähnlich lange gedauert hat. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass das Modellieren schneller von statten ging. Die Handwerker konnten  frei modellieren, und mussten keine genaue Kopie eines vorhandenen Objekts herstellen! Die Detailarbeiten beanspruchen den größeren Teil der Arbeitszeit.

In den nächsten Wochen werde ich die Oberfläche des Löwenaquamaniles bearbeiten und den Forstschritt hier in Wort und Bild dokumentieren. Spannend dürften dabei die Arbeiten werden, die sich mit dem Verschließen, der diversen gusstechnisch bedingten Öffnungen befassen, denn ein WIG Schweißgerät stand dem mittelalterlichen Handwerker nicht zur Verfügung…

Literatur

Barnet, P. and Dandridge, P. (eds) (2006) Lions, dragons, & other beasts: aquamanilia of the Middle Ages, vessels for church and table. New Haven: Yale University Press.

 


Nov 4 2018

Bienenkorbglocke läutet zum ersten Mal

Bastian Asmus

Karolingische Bienenkorbglocke läutet

Zum ersten Mal seit dem die Glocke von Canino – die älteste erhaltene gegossene Kirchenglocke – verstummte konnten wir am Freitag, den 26.10.2018 den Klang einer solchen Bienenkorbglocke vernehmen.

Diese Rekonstruktion ist einzigartig,

denn diese Glocke ist nicht nur in der Rippe der Caninoglocke gegossen, wie das bereits seit einigen Jahrzehnten zu verschiedenen Anlässen und für wissenschaftlichen Untersuchungen erfolgt ist. Siehe hierzu de verschiedenen vorzüglichen Arbeiten des Kollegen Hans Drescher . Nein, diese Rekonstruktion bemüht sich um eine material- und herstellungsgerechte Rekonstruktion. Was meine ich mit einer herstellungsgerechten Rekonstruktion? Diese Frage ist einfach zu beantworten, auch wenn sie nicht leicht, oder es u.U. sogar unmöglich ist, dies auch umzusetzen:

Eine herstellungsgerechte Rekonstruktion bemüht sich darum den originalen Herstellungsprozess derartig zu rekonstruieren und umzusetzen, dass sich der resultierende Gegenstand neben Material, Form und Gestalt, auch in der Art und Weise seiner Herstellung nicht vom des Original unterscheidet.

Glockenturm für die Bienenkorbglocke auf dem Campus Galli. Turm, Joch und Glocke können nun für die kommenden Jahre auf ihre Tauglichkeit hin getestet werden.

Die Bienekorbglocke läutet im eigens daür gebauten Glockenturm auf dem Campus Galli. Turm, Joch und Glocke können nun für die kommenden Jahre auf ihre Tauglichkeit hin getestet werden.

Angewandte Archäometallurgie

Die angewandte Archäometallurgie befasst sich, wie der Name schon erahnen lässt mit der Anwendbarkeit archäologisch, geschichtlich und naturwissenschaftlich informierter Interpretationen. Ziel ist es, ganz im Sinne des Handwerks, eine in der Praxis anwendbare und für die jeweils untersuchte Epoche auch technologisch umsetzbare Prozesse zu rekonstruieren, die ein möglichst deckungsgleiches Ergebnis im Vergleich zum Originalfund und Befund zu liefern vermögen. Sie ist somit der experimentellen Archäologie wesensverwandt. Im Unterschied zu dieser formuliert sie zusätzlich den Wunsch nach Anwendbarkeit und Praxistauglichkeit im Sinne pragmatisch(er) agierender Handwerker. Denn neben dem reinen Funktionieren einer Methode haben sich diese auch um weitere Aspekte wie beispielsweise den Herstellungsaufwand,  Rohmaterialverfügbarkeit, Rohmaterialbeschaffung, Lebensunterhalt und Absatz ihrer Produkte zu kümmern.

Die Campus Galli Glocke, der Turm und das Joch

Die Rekonstruktion der Glockenherstellung erfolgte über die letzten drei Jahre und wurde hier schon in zahlreichen Beiträgen beschrieben, z.B hier oder hier, oder hier. Neben einer Fachpublikation  führten die Experimente auch zu einer Rekonstruktion für die Romanische Bartholomäuskapelle in Paderborn, die im August 2019 dort aufgehängt werden wird.

Für die Rekonstruktion wurde von den Handwerkern des Campus Galli ein Glockenturm und ein Joch entworfen, welche nun in den nächsten Jahren auf ihre Praxistauglichkeit hin getestet werden können. Die Quellenlage für Joche von frühen Bienenkorbglocke ist sehr dünn: Einzig ein Joch der Haithabuglocke ist erhalten . Daneben existiert die Beschreibung von Theophilus Presbyter, die aufgrund ihres interpretationsbedürftigen Charakters, noch immer auch eine praktische Umsetzung wartet.

Am Nachmittag des 26.10.2018 ist es dann soweit: Die Bienenkorbglocke läutet zum ersten Mal, und entschädigt mit ihrem Klang aus der Karolingerzeit für so manche Fehlversuch in den vergangenen drei Jahren.

Literatur

Drescher, H. (1995) ‘Gießformen früher Glocken aus Mainz’, Mainzer Zeitschrift, 90/91, pp. 183–225.
Drescher, H. (1992) ‘Glocken und Glockenguss im 11. und 12. Jahrhundert’, in G. Waurick and H.W. Böhme (eds) Das Reich der Salier 1024 - 1125 : Katalog zur Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz; [Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz, Speyer, vom 23. März bis 21. Juni 1992]. Sigmaringen: Thorbecke (Publikationen zur Ausstellung ‘Die Salier und Ihr Reich’ / Ausstellung Das Reich der Salier 1024 - 1125, 1992 Speyer), pp. 405–414.
Asmus, B. (2016) ‘Theophilus und der Guss einer Bienenkorbglocke. Ein Experiment’, Der Anschnitt, 68(1–2), pp. 45–60.
Drescher, H. (1984) ‘Glockenfunde von Haithabu’, in K. Schietzel (ed.) Das archäologische Fundmaterial IV. Neumünster (Berichte zur Ausgrabung in Haithabu).


Aug 2 2018

Bienenkorbglocke aus der Romanik erfolgreich gegossen

Bastian Asmus

Erfolgreicher Guss einer Bienenkorbglocke aus der Romanik

Am Samstag, den 28.7.2018 wurde erfolgreich eine „neue“ Bienenkorbglocke aus der Romanik  gegossen. Ziel des Projekts war es einerseits den etwa 1000 Jahre Herstellungsprozess vor Ort zu demonstrieren, andererseits eine „passende“ Glocke für die Bartholomäuskapelle in Paderborn zu gießen. Hierzu hat mich das Erzbischöfliche Generalvikariat beauftragt und es freut ganz außerordentlich, dass aus dem ursprünglichen archäologischen Ansatz die 1000 Jahre alte Technik wieder zum Leben zu erwecken, eine neue Glocke für eine 1000 Jahre alte Kapelle entstanden ist. Befriedigender kann der Beruf eines Archäometallurgen nicht werden!

Am Gusstag wurde um 7.00 Uhr angefangen, den Schmelzofen mit Holz vor zu heizen. Außerdem mussten die Wachsablaufkanäle verschlossen werden, was zu einigen Verbrennungen geführt hat, da die Gussform noch immer etwa 400 °C hatte. Gegen 12.00 wurde die Tiegel und das erste Metall eingesetzt, insgesamt 2o kg CuSn10 Bronze, verteilt auf drei Tiegel. Bereits eineinhalb Stunden später waren diese geschmolzen und die restlichen 35 kg CuSn10 wurden zugesetzt. Erst kurz vor dem Guss wurde soviel Zinn zugesetzt, dass sich die von Theophilus beschriebene 20%ige Zinnbronze ergab.

Um 15.15 war das Metall flüssig, musste jedoch noch zwei Stunden flüssig gehalten werden, um den Termin um 17.00 einzuhalten und den Vespe Teilnehmern die Gelegenheit zu geben, den GUss mit zu erleben.

Theophilus wusste wie’s geht

Nach Theophilus Presbyter erfordert der Prozess das Herausschlagen des Kerns im warmen Zustand um eine Rissbildung, aufgrund der Metallschwindung und der dünnen Glockenrippe zu verhindern. Auch wenn Theophilus hier das „Ausdehnen des Kerns“ als Ursache annimmt, so zeichnet ihn doch seine besondere Beobachtungsgabe aus, die ihn als ein Praktiker der Materie auszeichnen, der aktiv „Troubleshooting“ betrieb um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Einmal mehr müssen wir vor unseren Altvorderen den Hut ziehen.

Zum Schluss sei noch einmal ein Wort an mein hervorragendes Team gerichtet, das durch tatkräftige Unterstützung aus Paderborn eine unglaubliche Leistung vollbracht hat: Danke an Euch alle.

Genau wie am Original, das als Vorbild diente, habe ich Wert darauf gelegt, dass sich die Fingerabdrücke des Gießers am Henkel abzeichnen. Auch das ist geglückt:Die frisch gegossene romanische Bienenkorbglocke für die Bartholomäuskapelle in Paderborn. Diese ist eine Rohguss vor der Bearbeitung.

Mit abgegossene Fingerabdrücke des GLockengießers dieser "neuen" Bienenkorbglocke aus der Romanik

Wie das Hachener Original, hat auch die Paderborner Bienenkorbglocke die Fingerabdrücke ihres Schöpfers am Henkel…

 

Die neu gegossene "Bienenkorbglocke aus der Romanik" für die Bartholomäuskapelle in Paderborn.

Die neu gegossene Glocke nach einer Bienenkorbglocke aus der Romanik für die Bartholomäuskapelle in Paderborn.

Der gesamte Herstellungsprozess wurde filmisch dokumentiert und in einer Serie von kurzen Clips veröffentlicht. Die gesamte Playlist lässt sich hier ansehen:


Jul 3 2018

Eine romanische Bienenkorbglocke für die Bartholomäuskapelle

Bastian Asmus


Besuch bei Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck.

Eine romanische Bienenkorbglocke für die Bartholomäuskapelle soll es werden. Was für eine großartige Entwicklung aus der experimentellen Archäologie heraus! Nachdem ich seit 2015 an der Rekonstruktion der von Theophilus Presbyter beschriebenen Glockengusstechnik gearbeitet habe , und die dieses Jahr endlich zu der lange ersehnten Glocke für den Campus Galli geführt hat, geht es nun noch einen großen Schritt weiter: Denn nicht nur möchte das Metropolitankapitel Paderborn, im Rahmen der 950 Jahrfeier des Imad-Domes zeigen, wie eine Bienenkorbglocke um das Jahr 1000 gegossen wurde. Nein, diese Glocke ist für die romanische Bartholomäuskapelle, die 2017 ihr 1000 jähriges Bestehen feierte.

Bartholomäuskapelle, der Dachreiter für die romanische Kapelle ist noch leer!

Die Paderborner Bartholomäuskapelle aus dem 11. Jahrhundert. Wie gut zu erkennen ist, ist der Dachreiter noch leer! Hier soll die neue romanische Glocke aufgehängt werden.

Die Bartholomäuskapelle ist nicht nur einfach eine romanische Kapelle, sie ist eine bedeutende architektonische Leistung des hohen Mittelalters, die mit ihren byzantinischen Stilelementen keine direkten Vorläufer oder Folgebauten besitzt. Diese älteste Hallenkirche Deutschlands wurde zu ottonischer Zeit als Pfalzkapelle im Zuge des Neubaus der Paderborner Pfalz errichtet.

Eine romanische Bienenkorbglocke entsteht

Die Bartholomäuskapelle bekommt eine Glocke, die zu ihrer Entstehungszeit passt. Als Vorbild für die neue Glocke, fiel die Wahl auf eine romanische Bienenkorbglocke aus Nordrhein-Westfalen. Die Glocke von Hachen ist heute im Glockenmuseum der Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck zu bestaunen, welche die Glocke 1938 von der Glockengießerei Heinrich Hupert aus Brilon erwarben. Die Gebrüder Grassmayr erlaubten es mir die Glocke genau zu vermessen, so dass eine Neuschöpfung dieses Glockentyps gelingen kann. Dabei geht es geht hier nicht darum eine genaue Kopie der Hachener Glocke zu fertigen. Vielmehr ist sie als Vorbild zu sehen, um eine „neue romanische“ Glocke zu gießen. Die Technologie des Glockengusses ist dieselbe, wie die zur Herstellung der Canino-Glocke von mir rekonstruiert und experimentell durchgeführt wurde; also das Wachsausschmelzverfahren, wie es bei Theophilus Presbyter beschrieben wurde .

Bell of Hachen

Glocke von Hachen, heute im Glockenmuseum Grassmayr in Innsbruck. Im Vergleich zu der frühen Canino Glocke, besitzt diese Glocke hier bereits eine ausgeprägte Flanke und Schulter.

 

Um das Jahr 1017 hatte man schon mindestens zwei Jahrhunderte Erfahrungen im kirchlichen Glockenguss. Neben der Wandstärke der Rippe, hat sich auch die Bienenkorbform von einer eiförmigen zu einer Form entwickelt, die bereits ausgeprägte Flanken und Schulter besaß. Selbst die Klanglöcher sind oft nur noch als typologisches Rudiment vorhanden. Neben den gusstechnischen Fragen treten nun insbesondere Fragen, welche die konzeptuelle Seite der Glockenentwicklung betreffen:

  • lassen sich die verschiedenen Maße der Glocke in ein bestimmtes Verhältnis setzen?
  • wie wurde im Mittelalter eine Glocke konzipiert?
  • welche Möglichkeiten der Vermessung gab es?
  • wie genau lässt sich der Klang vorhersagen?

Hierzu wurden alle Rippen zeitgleicher Glocken studiert und verglichen. Drescher hat hier bereits sehr wertvolle Arbeit geleistet , auf die zurück-gegriffen werden kann.

Exkurs: Die Fingerabdrücke des Hachener Glockengießers

Während der Untersuchung der Hachener Glocke konnte ich die Fingerabdrücke meines von 1000 Jahre lebenden Kollegen in der Glocke entdecken. Das ist auch für einen Archäologen ein äußerst beeindruckender Moment gewesen.

fingerabdrücke

1000 Jahre alte Fingerabdrücke meines „Kollegen“ im Henkel der Hachener Glocke! Breite des abgebildeten Henkels: 33mm.

In der Romanik noch immer ohne Schablone

Wie kann man sich den Herstellungsprozess vorstellen? Hat ein Geistlicher eine andere Glocke gesehen und den Wunsch entwickelt, ebenfalls eine Glocke zu besitzen. Wurde dann der Wunsch geäußert: „Ich hätte gerne eine Glocke wie die aus Mainz?“ oder war es doch ganz anders?  Diese Fragen werde ich wohl so schnell nicht beantworten können. Aber, da Theophilus noch einmal hundert Jahre später noch immer nicht von der Schablone spricht, müssen wir davon ausgehen dass die Rippen der Glocken auf eine andere Art und Weise hergestellt wurde. Ein direkter Vergleich verschiedener Rippen war somit nicht möglich, und erklärt deshalb auch, warum sich die Klangfindung der frühen Glocken zunächst wohl auf den Zufall stützen musste. Denn es dürfte klar sein, dass erst die Dokumentation der Glockenrippe zu kontrollierten Versuchen zum Einfluss der Rippe auf den Klang geführt haben dürften.

Die Bienenkorbglocke von St. Georg, Lutter am Barenberge aus dem 12. Jahrhundert, auch Ribernus Glocke genannt, besitzt eine ähnliche Form wie die Glocke aus Hachen. Quelle: Sebastian Wamsiedler http://www.glockenberatung.de.

Mit der Herstellung der romanischen Glocke für Paderborn stellt sich für mich gewissermaßen ein ähnliches Problem. Ich habe einen Auftraggeber, der eine Glocke kennt, die er gerne möchte. Ich kann mir die Glocke ansehen, und vermessen, kann aber das Schablonierverfahren nicht nutzen um die Rippe zu übertragen, da dieses im 11. Jahrhundert nicht bekannt war. Also kann ich die mit dem Greifzirkel erfassten Abmessungen mit dem Greifzirkel übertragen. Hierbei ergeben sich zwangsläufig Ungenauigkeiten, die, so vermute ich aber kein Problem darstellten. Dennoch fragt man sich bei der Arbeit, ob den Maßen nicht eine Art Faustregel zu Grunde liegt. Drescher spricht hier vom Grundmaß, welches er als den Durchmesser der Glocke am Schlagring definiert.

Die Hachener Glocke besitzt ein Verhältnis der Höhe zum Schlagring von 5:4, sowie ein Verhältnis des Durchmesser an der Schulter zur Gesamthöhe der Glocke von 1:2, sowie ein Verhältnis von etwa 1:1 Schlagringdurchmesser zur Höhe des Klangkörpers. Weitere eindeutige Verhältnisse konnten bisher jedoch nicht festgestellt werden, insbesondere zur Schweifung der Glockenflanke.

Dokumentation

Das Projekt wird als Videolog dokumentiert und in mehreren Kurzfilmen festgehalten. Bisher sind die ersten vier Arbeitstage von statten gegangen, die allerdings nicht mit den Prozesstagen gleichzusetzen sind, da der relativ massive Gusskern mehrere Tage zum Trocknen benötigt. Bisher dauert der Prozess seit dem 23.6.2018 an, damit sind bis zum Schreiben (3.7.2018) dieses Artikels bereits elf Prozesstage vergangen.

Tag 1 und 2 Romanische Bienenkorbglocke

Tag 3 und 4 Romanische Bienenkorbglocke

Tag 5 und 6 Romanische Bienenkorbglocke

Tag 7 bis 10 Romanische Bienenkorbglocke

Tag 11 bis 15 Romanische Bienenkorbglocke

Literatur

Drescher, H. (1995) ‘Gießformen früher Glocken aus Mainz’, Mainzer Zeitschrift, 90/91, pp. 183–225.
Asmus, B. (2016) ‘Theophilus und der Guss einer Bienenkorbglocke. Ein Experiment’, Der Anschnitt, 68(1–2), pp. 45–60.
Brepohl, E. (1999) Theophilus Presbyter und das mittelalterliche Kunsthandwerk. Band 2 Goldschmiedekunst. Böhlau.
Theobald, W. (1984) Technik des Kunsthandwerks im zwölften Jahrhundert des Theophilus Presbyter. Diversarum artium schedula. Düsseldorf: VDI-Verl (Klassiker der Technik).
Hawthorne, J.G. and Smith, C.S. (1979) Theophilus: On divers arts : the foremost medieval treatise on painting, glassmaking and metalwork / Theophilus / translated from the Latin with introduction and notes by John G. Hawthorne and Cyril Stanley Smith. New York: Dover.

 


Mai 4 2018

Karolingische Bienenkorbglocke gegossen

Bastian Asmus

Eine Bienenkorbglocke für den Campus

Die Bienenkorbglocke für den Campus Galli ist erfolgreich gegossen. –Drei Anläufe waren notwendig eine vollständige Glocke zu gießen. Nun ist am 28.4.2018 zum ersten Mal seit hunderten von Jahren eine Bienenkorbglocke nach den Vorschriften des Theophilus Presbyter erfolgreich gegossen worden. Der Klang ist bereits jetzt – obgleich die Glocke noch nicht bearbeitet ist – atemberaubend und zeigt den für Bienenkorbglocken typischen, herben Klang. – Ich bin begeistert! Die Glocke von Canino ist nun nicht nur in ihrer Form und Gestalt, sondern auch in ihrer Herstellungsweise kompromisslos nach der vorzüglichen mittelalterlichen Handschrift des Theophilus Presbyter gefertigt worden . Die Glockengussexperimente auf dem Campus Galli sind damit endlich zu einem vorläufigen glücklichen Ende gekommen. Die Glocke kann noch bis Pfingsten auf dem Campus Galli als Rohguss betrachtet werden. Danach wird sie bearbeitet und auf dem Campus installiert.-

Henkel der Bienenkorbglocke

Angewandte Archäometallurgie: Der Henkel der vollständigen Bienenkorbglocke von Gussexperiment Nr. 3 im Jahr 2018.

 

Die Bienenkorbglocke

Die Bienenkorbglocke richtet sich in ihrer Form nach der ältesten bekannten gegossenen Bronzeglocke: Der Glocke von Canino.- Sie hat einen Durchmesser von 39 cm am Schlagring und wiegt 44 kg. Man beachte die dreieckigen Schall- oder Klanglöcher dieser Glocke aus dem 8./9. Jahrhundert. Auch Theophilus beschreibt diese noch im 12. Jahrhundert. Nach der einhelligen Meinung der Campanlogen tragen diese allerdings nicht zum Schall bei.

Canino bell drawing

Zeichnung der Glocke von Canino in der Erstpublikation dieses Fundes [zotpressInText item="{4ICDYHGU}"].

Bienenkorbglockenguss im Mittelalter ist nur  gemeinschaftlich zu schaffen

Neben vielen technischen Details auf die zu einem späteren Zeitpunkt noch eingegangen werden wird, ist das wohl wichtigste Fazit, dass ein großes und gut aufeinander eingespieltes Team vonnöten ist und den Guss erfolgreich zu meistern. Dies ist uns dieses Jahr in besonders guter Weise gelungen. Dies lässt auch ein paar Schlüsse für die Vergangenheit zu, denn es ist gute Kommunikation notwendig um den gesamten Prozess erfolgreich umzusetzen.

Einige Wermutstropfen bleiben dennoch

Zwar ist die Glocke vollständig, aber die zu untersuchenden Eigenschaften des Formlehms habe auch zu unerwünschten Effekten geführt. Zum einen wurde dieses Mal nur eine schlechtere Gussoberflächenqualität erreicht, zum anderen kam es erstmalig zum Bruch der Form. Durch die Verdämmung und besonnenes Handeln während des Gusses konnte die Glocke gerettet, werden, obwohl die Form unterhalb des Henkels gebrochen ist. Dennoch hat dies einen negativen Einfluss auf den Henkel gehabt, was im Bild ganz oben gut erkennbar ist.

Ausblick

Die nächste Glocke die ich auf diese Weise gießen werde ist die Glocke von Hachen. Diese ist heute im Glockenmuseum Grassmayr zu sehen, die ich aufgrund des überaus freundlichen Entgegenkommens von Seiten Johannes Grassmayrs im dortigen Museum vermessen darf.  In diesem Versuch werden neben bewährten Lehmrezepturen, weitere Feinheiten des Formbrandes, sowie der Schmelzführung untersucht werden.

Literatur

Asmus, B. (2016) ‘Theophilus und der Guss einer Bienenkorbglocke. Ein Experiment’, Der Anschnitt, 68(1–2), pp. 45–60.

Links

Infothek Artikel auf der Campus Galli Webseite

Südkurier Artikel vom 2.5.2018

Artikel auf Schwaebische.de vom 30.4.2018


Jan 20 2018

Hinterladerbüchse – Teil 1 – virtuelle Rekonstruktion

Bastian Asmus

In dieser Artikelserie werde ich versuchen herauszufinden, wie man eine ganz bestimmte Hinterladerbüchse im speziellen und frühe Buntmetallfeuerwaffen im Allgemeinen herstellt, bzw. wie man sie mit der damaligen Technologie herstellen hätte können. Ich bin nicht all zu sehr am Schießen interessiert, aber umso mehr fasziniert vom frühen Büchsenguss des 14. und 15., und auch noch ein wenig vom Büchsenguss des 16. Jahrhundert.
Warum? Als ausgebildeter Bronzegießer weiß ich, dass es viele Herausforderungen und noch mehr Raum für Misserfolge gibt.  Gerade weil sich in der Technologie, speziell der Schmelzöfen, so enorm viel entwickelt hat ist dies eine besonders spannender Abschnitt der Technikgeschichte. Als professioneller Hersteller von Dingen gehören Misserfolge zu den am wenigsten beliebten Themen, über die man reden möchte. Doch auch als Wissenschaftler hilft es, diese Notlage zu überwinden: Ohne Scheitern kann es keinen Fortschritt geben. Oder anders ausgedrückt: Wir sollten uns nicht mit unseren Hypothesen begnügen, sondern ständig versuchen, diese zu widerlegen!

Early breech loaded handgonne.

Dieses Bild einer angeblich aus dem 15. Jahrhundert stammenden Büchse zeigt ein sehr frühes Ladesystem, das sich über Jahrhunderte hinweg nicht durchgesetzt hat. Technische Einschränkungen im Herstellungsprozess könnten dafür verantwortlich sein. Es konnte einfach nicht so problemlos hergestellt werden wie die weit verbreiteten Vorderlader. Quelle: Viking Swords Forum Thread 7364.

Continue reading