Glocke aus der Karolingerzeit - das Fazit zum Gussexperiment | archaeometallurgie.de

Glocke der Karolingerzeit – Fazit zum Experiment

Bastian Asmus
Die fertig gegossene Glocke.

Die Glocke nach dem Guss. Sie klingt, aber sie ist unvollständig. Die hellen Stellen sind Reste des noch anhaftenden Formmaterials.

Der Klang der Glocke entspricht den Erwartungen an eine Bienenkorbglocke des 9. Jahrhunderts, und zeigt dass der Gießer weniger Einfluss auf den Klang der Glocke hatte, als das der Fall für die späteren Glocken mit Zuckerhutform der Fall ist. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass die Glocke noch im ungeputzten Zustand angeschlagen wurde. Mit Sicherheit können wir noch einen etwas schöneren Klang erreichen, wenn die Glocke geputzt ist. Sowie ich das erledigt habe, werde ich das hier veröffentlichen.

Die Glocke ist gegossen

Lange hat es gedauert bis es soweit war. Ich habe die vorhergehenden Schritte hier und hier und hier beschrieben. Noch genauer habe ich das hier beschrieben .  Am Montag, den 19.10.15,  nach zwei Nachtschichten die ich mit dem Hüten des Feuers verbracht hatte, war es soweit: Die Glockengussform war trocken, das Metall war bereit gelegt und das Wetter schien mit zu spielen: Die Bienenkorbglocke konnte auf dem Campus Galli gegossen werden. Gegen 6.00 morgens machte ich mich daran den Arbeitstag vorzubereiten: Der Schmelzofen musste vorgeheizt werden, die Glockenform musste am unteren Ende noch verschlossen werden, die Tiegel mussten vor der Verwendung ausgeheizt werden, die Grube mit Erde aufgefüllt werden….

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Warum ein Experiment zum Glockenguss? Im Prinzip ist das doch alles klar!

Das ist sicher richtig. Im Prinzip ist alles klar und auch alles verstanden. Wir wissen wie das Wachsausschmelzverfahren funktioniert, wir wissen wie man Glocken gießt, wir wissen das Theophilus Presbyter den Guss der Glocke sehr genau beschreibt, denn ist sein umfangreichstes Kapitel. Wir wissen wie eine Bienenkorbglocke klingt, denn es hängt noch eine aus dem 11. Jahrhundert in Bad Hersfeld.  Dank Herrn Drescher wurde in den 80er Jahren die Glocke von Haithabu in einer Glockengießerei rekonstruiert, so dass wir wissen, wie eine Glocke aus dem 9. Jahrhundert klingt . Aber: diese Rekonstruktion wurde mit Hilfe des Lehmhemdverfahrens durchgeführt und das Metall im Ofen der Glockengießerei geschmolzen. Beide Aspekte widersprechen der originalen von Theophilus beschriebenen Technik. In diesem Versuch geht es um den Versuch die Glocke nach der Beschreibung des Theophilus herzustellen, im speziellen geht es um die Herstellung der Gussform. Nachdem ich in meiner Dissertation zeigen konnte , dass Theophilus sogar bei dem sehr kontrovers diskutierten Kapitel über die Kupferverhüttung, eben nicht

a garbled account of the Saigerhüttenprozess,

also einen verstümmelten Bericht zum – im Übrigen noch lange nicht existierenden – Saigerhüttenprozess, sozusagen aus zweiter oder dritter Hand niederschrieb. Ganz im Gegenteil legte er erheblich mehr Sachkenntnis an den Tag als dies die Wissenschaftsgenerationen taten, die seine Texte untersuchten. Ich wollte prüfen, ob das auch für  Glockengusskapitel gilt.  Die Beschreibung ist vorzüglich und ausführlicher als die der Kupferverhüttung, dennoch waren in der praktischen Anwendung noch eine Menge Detailfragen zu klären.

Wieso Theophilus?

Moment mal! Theophilus‘ schedula diversarum artium wird doch in das frühe 12. Jahrhundert datiert, der Campus Galli aber in das frühe 9. Jahrhundert. Was ist mit den drei Jahrhunderten dazwischen? Kann man das so ohne Weiteres machen? Nein, so ohne Weiteres kann man das natürlich nicht machen! Erst nachdem wir uns die Kirchenglocken des 9.-12. Jahrhunderts angesehen haben, und wir feststellen konnten, dass wesentliche Merkmale der von Theophilus beschriebenen Glocken, sowohl auf die Glocken des neunten, als auch der folgenden Jahrhunderte passen, können wir davon ausgehen, dass Theophilus die Technik nicht erfunden hat, sondern über eine bereits ausgereifte und oft eingesetzte Methode berichtet.

Fragen

  • Was ist beim Auftragen des Lehms zu beachten?
  • Welche Anweisungen sind wirklich zu beachten?
  • Wie lange muss die Form trocknen?
  • Ist wirklich sicher gestellt, dass der Lehmkern in der Form nicht verrutscht?
  • Lässt sich Wachs gut in Platten walzen?
  • Hält das Wachs auf dem Lehmkern?
  • Wie feucht darf die Erde sein, die um die trockene Lehmform gestampft wird?
  • Wie gut hält die Form dem metallostatischem Druck stand?
  • Welche Oberflächengüte ist zu erwarten?

Experiment

Ein paar Worte zum Experiment. Die Glockenform wurde in mehreren Schichten aus Formlehm aufgebaut. Jede Schicht wurde an der Luft getrocknet. Ausnahme bildet die letzte Schicht, diese wurde nicht an der Luft getrocknet, sondern direkt im kleinen Feuer. Die Lehmform wurde in eine Grube versenkt und dann zweieinhalb Tage gebrannt. Dabei entwichen sowohl Wachs, als auch das Wasser des Lehms. Das Metall wurde in Graphittiegeln in einem Ofen geschmolzen. Graphittiegel wurden wegen der Prozesssicherheit gewählt, denn ein Tiegelbruch hätte mit Sicherheit zu einer unbrauchbaren Glocke geführt. Bei dem Ofen handelt es sich um eine leicht vergrößerte Variante des Ofens der bei Theophilus Presbyter beschrieben ist . Schmelzöfen mit dem gleichen Funktionsprinzip sind auch aus der Maas Region des 12. Jahrhunderts bekannt . Die Schutzkleidung entspricht modernen Arbeitssicherheitsanforderungen und besteht aus aluminisiertem Aramidgewebe.

Es wurde aus drei Tiegeln nacheinander gegossen, wobei der Gießstrahl nicht unterbrochen wurde, um Kaltlauf zu vermeiden. Vor dem Guss wurde die Schmelzbadoberfläche mit einem Holzstab gereinigt: Darauf schwimmende Holzkohle und Verunreinigungen wurden entfernt. Während des Gusses stellte sich heraus, dass die Form nicht voll laufen würde, was wie sich später heraus stellte an einem unzulänglich verschlossenen Ablaufkanal für das flüssige Wachs lag. Das ist sehr ärgerlich, da der Guss ansonsten fehlerfrei durchgeführt werden konnte: Die Form war trocken, die Oberfläche ist hervorragend, es gab keinen Kaltlauf, es ist keine Verunreinigung in die Form gelangt, es gab keine Gasschäden, die Form hat keine Risse bekommen, es sind keine Gussgrate oder Federn entstanden. Nur ein Teil der Glockenspeise ist am unteren Ende der Form ausgelaufen. Am Ende des Tages konnte die Glocke, nun ohne Krone dennoch zum ersten Mal angeschlagen werden und man konnte den Klang einer Glocke vernehmen, die mit den Mitteln des 9. Jahrhunderts gegossen wurde: Ein alles in allem großartiger Moment! Mit Sicherheit werde ich 2016 zurück kommen und eine komplette Glocke für den Campus Galli gießen. Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die ich bei diesem Versuch sammeln konnte, werden mir den nächsten Guss erleichtern und ich werde einige kleinere Änderungen im Prozess vornehmen. Die Rekonstruktion des Arbeitsprozesses hat im vollen Umfang funktioniert. Das Auslaufen der Glockenspeise hat per se nichts mit der Rekonstruktion zu tun, sondern nur mit einer Unachtsamkeit meinerseits, die ich nun in Form einer neuen Glocke „bezahlen“ muss (;

Fazit

Eine Glocke für den Campus Galli haben wir (noch) nicht, aber das ist auch das einzige negative Ergebnis des Versuchs. Aus technologiegeschichtlicher und handwerklicher Perspektive war das Experiment in allen Kernpunkten erfolgreich: Die rekonstruierte Fertigungsmethode funktioniert einwandfrei. Es wird 2016 eine Glocke gegossen werden. Die vergangenen Monate haben aber – und das nicht zum ersten Mal – gezeigt warum Experimentelle Archäologie und Museumsarbeit nicht das gleiche sind. Obwohl die händische Arbeit auf Anhieb die gleiche zu sein scheint, so sind doch die Prämissen grundverschieden: Mit Hilfe der Experimentellen Archäologie möchte ich eine Hypothese überprüfen. Bei der Museumsarbeit möchte ich die Ergebnisse voran gegangener Versuche vermitteln, sowie im Gespräch diese  Erkenntnisse in größeren Gesamtzusammenhang einbinden. Ich denke, diesen Unterschied haben wir bei diesem Projekt nicht immer klar genug kommuniziert.

Der SWR hat einen kurzen Beitrag zum Glockenguss gesendet, und obwohl ich nicht mit jedem Wort so ganz einverstanden bin habe das Video hier mal eingebaut, weil es den Ablauf des Gusses zeigt. Leider blieb der Filmer vom SWR nicht bis zum Ende da, so dass er weder den Klang der Glocke mitbekommen, noch unsere Gedanken zum Experiment wiedergeben konnte.

Bei Fragen oder Kritik nutzt doch einfach die Kommentarfunktion.

Literatur




13 Responses to “Glocke der Karolingerzeit – Fazit zum Experiment”

  • Bienenkorbglocke läutet zum ersten Mal - archaeometallurgie.de | archaeometallurgie.de Says:

    […] die letzten drei Jahre und wurde hier schon in zahlreichen Beiträgen beschrieben, z.B hier oder hier, oder hier. Neben einer Fachpublikation  führten die Experimente auch zu einer […]

  • Karolingische Bienenkorbglocke gegossen - archaeometallurgie.de | archaeometallurgie.de Says:

    […] Bienenkorbglocke für den Campus Galli ist erfolgreich gegossen. –Drei Anläufe waren notwendig eine vollständige Glocke zu gießen. Nun ist am 28.4.2018 zum ersten Mal seit […]

  • Kai-Erik Ballak Says:

    Hallo,

    bevor das nun wirklich ein Jahr her ist, möchte ich hier noch schreiben, das ich diesen Experiment hier auf diesem Blog gerne verfolgt habe. Schon mal gehört, wie sich die Glocke vor dem Wikinger Museum Haithabu anhört?

    Viele Grüße aus dem hohen Norden,

    Kai-Erik

    • Bastian Asmus Says:

      Hallo Kai-Erik,
      vielen Dank für die freundlichen Worte! Ich war zwar schon mehrmals in Haithabu, aber die Glocke habe ich leider noch nicht gehört. Außer natürlich im Film….
      Im September gieße ich dann eine vollständige Glocke.
      Viele Grüße in den Norden,
      Bastian

  • Literaturverzeichnis – Rechercheblog Says:

    […] Guss einer karolingischen Glocke […]

  • Älteste Glockengussgrube Deutschlands entdeckt - archaeometallurgie.de | archaeometallurgie.de Says:

    […] Christus nahe.   Solche Gruben sind notwending um große Gegenstände zu gießen. Wie man sich den karolingischen Glockenguss  vorstellen kann habe ich ja erst kürzlich hier beschrieben. Um so mehr freut es mich, dass es […]

  • Joachim Says:

    Hallo Bastian,

    tolle Beschreibung, und ich freue mich auf die nächste Saison.

    Gruß Joachim

    • Bastian Asmus Says:

      Hallo Joachim,
      danke für die freundlichen Worte. Ich freue mich auch schon auf das nächste Mal. Die Vorbereitungen laufen bereits in vollen Zügen. Der Glockensachverständige Sebastian Wamsiedler hat auf seiner Seite über uns berichtet und wird hoffentlich nächstes Jahr dem Guss beiwohnen können.
      VG
      Bastian

  • Oliver Bonstein Says:

    vielen Dank fürs Kompliment 🙂 und Danke für die MP3 – mit der klappts 🙂

  • Bastian Asmus Says:

    Hallo Olli,
    also erst mal vielen Dank für die super Bilder, die ich von euch bekommen habe! Die sind echt stark geworden.
    Vielleicht kopmmt dein Browser nicht mit der Ogg Datei zu Recht. Ich lade eine MP3 Datei zusätzlich hoch. Kannst Du es noch einmal probieren?
    Viele Grüße,
    Bastian

  • Oliver Bonstein Says:

    Hallo Bastian – leider kann ich den „Gong“ nicht hören 🙁 ? Ich kann die Datei schon runterladen bekomme dann allerdings eine Fehlermeldung – liegt das hier bei mir? Ich würde es so gerne noch mal hören – es war so ein supertoller Abend der noch lange in Erinnerung bleiben wird 🙂 vielen Dank – Olli

  • Thomas Lettenmayer Says:

    Hallo Bastian,
    auch wenn ich leider nicht sehr viel von der ganzen Glockenguss-Aktion selbst miterleben konnte, so war es doch eine Ehre und Freude, dich mit der Glocke im Arm auf dem Handkarren zum Gießplatz zu fahren (gibt es davon kein Bild? 😉 ) und dann am Dienstag früh diese beim morgendlichen Anschlagen auf der Schulter zu tragen. Hab sie noch gereinigt, so gut es mit Wasser und Wurzelbürste ging. Ich freu mich auf deinen nächsten Versuch. Viele Grüße und bis bald wieder, Thomas

    • Bastian Asmus Says:

      Hallo Thomas,
      ja stimmt wo ist denn eigentlich dieses Bild abgeblieben? Ich habe es bis jetzt nicht.
      Ich danke Dir auf jeden Fall für Deine Hilfe bei diesem Projekt und freue mich auf ein Wiedersehen im nächsten. Jahr. Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren.
      Grüße,
      Bastian