Verlorene Form - Wachsausschmelzverfahren - cire perdu - lost wax | archaeometallurgie.de

Verlorene Form?

Bastian Asmus

Das Verfahren mit der verlorenen Form wird sehr oft mit dem Wachsausschmelzverfahren gleichgesetzt. Dies ist aber nicht richtig, denn auch das Sandformverfahren ist ein Verfahren mit verlorener Form. Die Liste lässt sich fortsetzten: Das Lehmhemdverfahren für den Glockenguss ist ebenso ein Verfahren mit verlorener Form, wie das Gießen von Kanonen in Lehmformen!

Wachsausschmelzverfahren

Das Wachsausschmelzverfahren sollte daher besser Verfahren mit verlorenem (Wachs-)Modell heißen, so wie es das Französiche cire perdu, oder das Englische lost wax method ausdrückt. Denn einer der entscheidenden Unterschiede ist eben, dass das Modell bei diesem Verfahren verloren geht, wohingegen die Form bei allen außer dem Guss in Dauerformen verloren geht! Das Verfahren ist seit sehr  langem bekannt, frühe Nachweise lassen sich in Baluchistan (Pakistan) für das Ende des vierten bis Anfang des dritten Jahrtausends vor Beginn unserer Zeitrechnung finden .

Mit Hilfe eines Modells aus Wachs, welches genau dem gewünschten zu gießendem Objekt gleicht, wird eine Negativform hergestellt. Diese ist bei der großen Mehrzahl der Formen in unserer Geschichte aus Lehm, und gehört damit zu den tongebundenen Formstoffen. In späteren Zeiten kommen noch weitere Formstoffe hinzu, die aber nicht Gegenstand dieses Beitrags sind.

Formlehm – ein genialer Werkstoff

Generell sollte ein Formstoff folgenden Anforderungen gerecht werden:

  • feuerfest
  • keine Schrumpfung
  • gasdurchlässig
  • bildsam
  • leichter Zerfall nach dem Guss (nicht relevant für ältere Verfahren)

Da reiner Ton zu fett ist, d.h. er eine zu große Schwindung in reiner Form aufweist muss der Ton gemagert werden. Dies geschieht mit anorganischem und organischem Materialien. Archäologisch nachgewiesene und/oder historisch/ethnographisch belegte Zuschläge sind: (Quarz) Sand, zermahlene alte Formen, Tierhaar, Pferdemist und Spreu. Der Ton fungiert als Bindemittel für die anorganischen, feuerfesten Magerungsmittel. Da diese beim Trocknen nicht schrumpfen, kann über deren Anteil die Schrumpfung des Formstoffs eingestellt werden.

Die organischen Magerungsmittel haben eine andere Aufgabe; sie verbessern die plastischen Eigenschaften im feuchten Zustand. Sie verringern durch ihre faserige Gestalt das Reißen beim Trocknen. Sie verbessern die Gasdurchlässigkeit da sie beim Brand der Formen verbrennen. Der Formlehm wird/wurde von jedem Gießer selber hergestellt und kann mit Erfahrung an jedem Ort hergestellt werden an dem gearbeitet wird/wurde. Die Rohmaterialien sind überall zu bekommen.

Historische Quellen wie Theophilus Presbyter  im 12. Jahrhundert , Vanoccio Biringuccio oder Benvenuto Cellini  im 16. Jahrhundert  teilen uns ihre Rezepte mit. Auch bei Lazarus Ercker , dem berühmten Probierer und Metallurgen des 16. Jhdts finden sich einige Hinweise wie mit Ton zu verfahren ist um feuerfeste Materialien herzustellen .

Formen

Unter Formen oder Einformen versteht man das Herstellen einer Form. Das fertige Wachsmodell wird hierzu mit dem Formlehm umhüllt. Dabei ist darauf zu achten, dass das Modell nicht deformiert wird, und dass der Formstoff an allen Wachsoberflächen ordentlich anliegt. Danach wird die Form getrocknet, dabei entweicht das Quellungswasser. Als nächstes muss das Wachs  ausgebrannt werden, so dass der Formhohlraum entstehen kann.  Nachdem das Wachs ausgeschmolzen ist, muss die Form gebrannt werden, um das chemisch gebundene Kristallwasser zu entfernen. Ist die Form nicht gebrannt, würde das Kristallwasser beim Eingießen der 1100-1150 ºC heißen Schmelze verdampfen und im besten Fall den Guss unbrauchbar machen – im ungünstigsten Fall  würde die Form explodieren oder flüssiges Metall aus der Form spritzen.

 Schmelzen und Gießen

Das Schmelzen des Bronze erfolgt im Schmelztiegel, der mit Holzkohle zusammen im Schmelzofen steht. Je nach Konstruktionsprinzip muss ein Ofen mit Blasebälgen betrieben werden, oder er kann den natürlichen Zug ausnutzen . Mit Hilfe der Blasebälge lässt sich aber auch ein Ofen mit natürlichem Zug besser kontrollieren. Bronze ist über 1000 ºC flüssig und muss bis etwa 1150 ºC erhitzt werden. Man spricht hier von Überhitzen der Schmelze, so dass genug Zeit bleibt den Schmelztiegel zu ziehen und Metall einzugießen. Im Falle des oben gezeigten Films (1 kg Bronze) verbleiben dafür etwa fünf Sekunden, bevor das Metall zu kalt ist. Die Form wird zerschlagen um den Guss zu erhalten. Die Form ist nun verloren, und für weitere Güsse müssen neue Formen gemacht werden.

Nacharbeit

Um aus dem Rohguss einen fertigen Gegenstand zu machen, musste er in der Urgeschichte auch Steinen geschliffen werden. Hierzu wurden Schleifsteine verschiedener Körnung verwendet. Am Ende kann der Guss poliert werden, was mit Leder, Holz oder Holzkohle geschehen kann. Im Fall von Leder und Holz kann man Tonpulver, Holzkohlepulver, oder auch Ohrenschmalz verwenden. Die Nacharbeit ist die bei weitem zeitaufwändigere Tätigkeit. Im Falle des Fingerrings aus dem Film waren es 2 h für das Formen, Brennen und Gießen, aber 20 h für das Schleifen und Polieren.

Literatur

Asmus, B. (2009) ‘A natural draft furnace for bronze casting’, in T. Rehren and J. Mei (eds) Metals and Civilisation: Eurasia and Beyond. London: Archetype Publications in association with the University of Technology Beijing and the Institute of Archaeo-Metallurgical Studies.
Biringuccio, V. (1990) The pirotechnia of Vannoccio Biringuccio: a classic sixteenth-century treatise on metals and metallurgy / translated from the Italian with an introduction and notes of Cyril Stanley Smith and Martha Teach Gnudi. Translated by C.S. Smith and M. Teach. Mineola: Dover Publications.
Brepohl, E. (ed.) (2005) Benvenuto Cellini. Traktate über die Goldschmiedekunst und die Bildhauerei. Böhlau Verlag.
Brepohl, E. (1999) Theophilus Presbyter und das mittelalterliche Kunsthandwerk. Band 2 Goldschmiedekunst. Böhlau.
Ercker, L. (1598) Beschreibung aller fürnemisten Mineralischen Ertzt vnnd Berckwercksarten: wie dieselbigen vnd eine jede in Sonderheit jrer Natur vnd Eygenschafft nach, auff alle Metalla probirt, vnd im kleinen Fewr sollen versucht werden, mit Erklärung etlicher fürnemer. Gedruckt zu Franckfurt am Mayn: Durch Johan Feyerabendt, 1598. Electronic edition of the Schoenberg Center for Electronic Text&Image. Available at: http://dewey.library.upenn.edu/sceti/printedbooksNew/index.cfm?TextID=ercker.
Mille, B., Besenval, R. and Bourgarit, D. (2004) ‘Frühes Gießen in verlorener Form in Baluchistan (Pakistan): das “Leoparden-Gewicht” aus Shahi-Tump.’, in T. Stöllner, R. Slotta, and A. Vatanoust (eds) Persiens Antike Pracht - Bergbau - Handwerk - Archäologie. Deutsches Bergbau-Museum, pp. 274–282.


2 Responses to “Verlorene Form?”

  • Ferdinand Stolz Says:

    Ihr seid erstaunliche Künstler. Wie weiss man die richtige Formentemperatur? Ich hab das im TV bei einem Afrikaner gesehen, der legte einen kleinen Ast über die Form, wenn der brannte, war die Formentemperatur gerade recht.
    Der Guss war perfekt in Homogenität und Aussehen. Die Passung ist sicher eine andere Geschichte.
    LG Ferdinand

    • admin Says:

      Hallo Ferdinand,
      vielen Dank für die Blumen. Wie du schon selbst gesagt hast, hat sich der Afrikaner aufgrund seiner Erfahrung eine Methode entwickelt, wie er die richtige Temperatur anschätzen. Wir machen das genauso: mit einer Kombination aus Erfahrungswerten und Tradition im Handwerk..
      Das ist es was und an der Archäologie als Wissenschaft noch in vielen Fällen fehlt, und was auch durch noch so langes Nachdenken nicht ersetzt werden kann: die praktische Erfahrung-

      Grüße,
      Bastian

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