Büchsen: Arbeitssicherheit ist ein Thema
Büchsen: Arbeitssicherheit ist ein Thema…
das interessanterweise keine moderne Erfindung ist; es lässt sich mindestens bis in das frühe 15. Jahrhundert zurück verfolgen. Ausgerechnet im ersten auf deutsch verfassten technischen Manuskript, dem Feuerwerkbuch von 1430, einem Handbuch für die Bedienung dieses relativ neuen Kriegsgeräts, gibt es erstaunlich eindringliche Passage zu den Gesundheitsrisiken der Feuerwaffe. In meinen Recherchen zu frühen Hinterladerbüchsen aus Bronze zur Vorbereitung meiner Experimente zur Fertigungstechnik, stellte sich früh die Frage, wie sicher diese und andere Bronzebüchsen wohl in ihrer Handhabung seien. Offensichtlich nicht so sicher, wie man sich das wünschte.
Das Feuerwerkbuch, Freiburger Manuskript Ms 362
Aber wie sicher, oder wie gefährlich waren sie wirlich? Einen ersten deutlichen Hinweis gibt das Kapitel 223 im Feuerwerkbuch. Es die unterstützt die moderne Vermutung, dass diese Büchsen mitunter für den Schützen genauso gefährlich, wir für den Gegner sein konnten. Die älteste Version des Feuerwerkbuchs wurde dankenswerter Weise von Ferdinand Nibler ins Neuhochdeutsche übertragen. Das ganze Buch ist online verfügbar. Diese sehr frühe technische Abhandlung, die in deutscher Sprache verfasst wurde, liefert unschätzbare Erkenntnisse für das Verständnis der Problematik des frühen Waffengebrauchs. Und die folgenden Anweisungen zur Arbeitssicherheit fielen mir auf. Es ist nur in zweien der vier erhaltenen Versionen des Feuerwekbuchs vorhanden. Im Freiburger Manuskript (Freiburg Ms 362 von 1432) heißt es (Nibler 2005, 85):
Das man kainer büchß si sye groß oder si sye klain trwen sol sunnder sich daruor hüten als denne dise nächgeschribne lere dich wyset.Aber ain lere dem der vß der büchß schiessen will er sol kainer büchß nit viel trwen si sye klain oder groß si sye Ibel oder wol geladen wie die büchß ist so hüt dich nütz dester minnder dauor ouch lçg wenn si du ladest das kain ysen das annder rüre wann das puluer möchte dauon ennzündet werden.
Auf hochdeutsch (Nibler 2005, 40):
Dass man keiner Büchse, sie sei groß oder sie sei klein, trauen soll sondern sich vor ihr hüten, wie diese nachgeschriebene Anweisung weist.Aber eine Belehrung für den, der aus der Büchse schießen will: Er soll einer Büchse auf keinen Fall vertrauen, sie sei klein oder groß, sie sei schlecht oder gut geladen. Wie die Büchse auch ist – hüte Dich nichtsdestoweniger davor! Sieh‘ auch zu, dass wenn Du sie ladest kein Eisen ein anderes Eisen berühre, denn das Pulver könnte davon entzündet werden!
Bellifortis, BSB Hss Clm 30150
Die zweite Version des Feuerwerkbuchs ist im Bellifortis von Korad Kyeser erhalten geblieben. Ich habe es hier aufgenommen, da es eines das Kapitel zur Arbeitssicherheit eines der wenigen Kapitel ist, die vom oben erwähnten Original abweichen.
Das ma je kainer büchs tzündn ssol wie sy ist Aber ain lere dem der uß der büchsn schießßn wil Er sol si kainer büchs nicht zu getruwe si sye klain oder groß sy sy beschossn oder nit sy si übel oder wolgeladn wie die buchs iist so hut dich nichtzt deß mind dauor Ouch lüg wen Du sy ladest das kain ysen das ander rür wan das puluer möcht villicht dauo entzund werdn.
Neuhochdeutsch:
Daß man bloß keine Büchse zünden soll wie sie ist Aber eine Lehre dem der aus der Büchse schießen will. Er soll keiner Büchse trauen, sei sie klein oder groß. Sei sie beschossen oder nicht, sei sie schlecht oder gut geladen. Wie die Büchse ist, so hüte dich nichtsdestoweniger davor. Auch sieh zu, wenn Du sie lädst, dass kein Eisen ein anderes (Eisen) , denn das Pluver möchte vielleicht davon entzündet werden.
Interessanterweise ist diese Warnung in der gedruckten Version des Feuerwerkbuchs von 1529 nicht mehr enthalten. Ob dies auf höhere Fertigungsstandards zurückzuführen ist, die zu sichereren Handhaben geführt haben, oder auf ganz andere Umstände, muss vorerst offen bleiben.