Zementation: Messingherstellung nach dem Galmeiverfahren
Archäologie im Experiment – Zementation im Maasgebiet
Im Maasgebiet im heutigen Belgien wurden im Mittelalter in großer Menge Messinggegenstände hergestellt, welche bis ins 19. Jahrhundert auch im deutschen Sprachgebrauch als Dinanderie bezeichnet wurden. Stellvertretend seien hier Grapen, Kerzenleuchter und Aquamanilien genannt. Zwischen 1995 und 2010 wurden vom Service Publique Wallonie (SPW) sechs Fundplätze der mittelalterlichen Buntmetallverarbeitung ergraben, die man mit Recht zu den bedeutendsten Metallgewerbefundplätzen des Mittelalters rechnen kann .
Neben großen Schmelzöfen zur Zementation, sowie Installationen zur Gießerei, wurden in sehr großem Umfang Produktionsabfälle gefunden: Mehrere zehntausend Gussformfragmente von Grapen und Kerzenleuchtern, sowie mehrere tausend Schmelztiegelfragmente. Das internationale Foschungsprojekt Laiton Mosan untersucht diese Fundplätze und beschäftigt sich mit den Herstellungsprozessen, der Ökonomie, der Geschichte und Archäologie der Messingmanufakturen im Maasgebiet. Dazu gehören seit 2009 auch Feldversuche an denen ich maßgeblich beteiligt bin. Ein internationales Team unter der Leitung von Dr. Nicolas Thomas, INRAP untersucht die Parameter der Messingzementation im Experiment.
Zementation im Feldversuch
Den etwa 50 Feldversuchen gingen weitere 400 Versuche im Labor voraus um die Prozessparameter zu ermitteln. Etwa: wie hoch ist der zu erwartende Zinkgehalt? Wie lange dauert der Prozess? Welche Temperaturen sind notwendig? Wie lassen sich die Öfen kontrollieren?
Begriffsabgrenzung
Zementation ist ein Begriff der für eine Reihe metallurgischer Techniken zur Anwendung kommt:
- Zur Herstellung von Messing nach dem alten Galmeiverfahren
- Zur Reinigung von Gold
- Bei der Herstellung von Tiegelstahl nach dem Wootzverfahren
Die Zementation beschreibt Vorgänge bei der entweder ein Metall einen anderen Stoff löst, oder Prozesse bei denen das Metall geschieden wird, wie etwa bei der Goldzementation. In diesem Beitrag soll nur die Herstellung von Messing nach dem Galmeiverfahren dargestellt werden . Die Zementation gehört zur Tiegelmetallurgie, d.h. die relevanten Prozesse laufen innerhalb eines Tiegels ab.
Chemische Prozesse bei der Zementation
Galmei, ist ein Sammelbegriff für diverse oxidische und silikatische Zinkverbindungen, dieser dissoziiert bei hohen Temperaturen zu Zinkoxid (ZnO) und Kohlendioxid. Bei reduzierender Atmosphäre reagieren Kohlenmonoxid und Zinkoxid zu Kohlendioxid und Zink, das aufgrund seines niedrigen Schmelzpunktes von 419 °C gasförmig vorliegt:
Das gasförmige Zinkgas diffundiert in das Kupfer und bildet auf diese Weise Messing. Je nach Temperaturführung schmilzt das Messing ganz, teilweise oder gar nicht auf. Es ist vorteilhaft wenn das Metall über den größten Teil der Prozessdauer im festen Zustand vorliegt, da auf diese Weise eine größere Oberfläche vorhanden ist die mit dem Zinkgas reagieren kann.
Zementation im Spiegel der Schriftquellen
Die Zementation zur Messingherstellung mit Galmei ist mindestens seit der Römerzeit bekannt , Messing ist jedoch noch älter. Die frühesten Nachweise für Messing stammen aus dem Iran und sind ins 2. Jahrtausend vor Christus zu datieren . Die Zementation taucht bei Strabon nicht auf, wohl aber die Messingherstellung in seiner Geographika hinweist (Strab. 13.1.56).
Strabon, Dicoscorides und Theopompus
In der klassischen Antike ist Messing höchstwahrscheinlich mit dem griechischen oreichalkos gleichzusetzen . Strabon beschreibt in seinem Werk Geographika einen Ort namens Andeira in dessen Nähe Erze vorkommen, die für die Messingproduktion in Frage kommen :
Nach Skepsis kommen Andeira und Pioniai und Gargaris. Bei Andeira gibt es einen Stein der, wenn man ihn brennt, zu Eisen wird; erhitzt man ihn dann zusammen mit einer bestimmten Erde im Ofen, dann destilliert sich falsches Silber (gr. ψευδάργυρος pseudarguros) oder sie wird mit Zusatz von Kupfer zu dem sogenannten Gemisch, das Manche Messing gr. ὀρείχαλκον oreichalkos nennen.
Plinius
Auch bei Plinius erwähnt den Zusammenhang zwischen Galmei und Kupfer und Messing, wenngleich er auch keine Prozessbeschreibung gibt. In seiner Naturkunde Buch 34, Kap 2. schreibt er:
summa gloriae nunc in Marianum conversa, quod et Cordubense dicitur. hoc a Liviano cadmean maxime sorbet et aurichalci bonitatem imitatur in sestertiis dupondiariisque, Cyprio suo assibus contentis.
That which is at present held in the highest estimation is the Marian, likewise known as the Corduban: next to the Livian, this kind most readily absorbs cadmia, and becomes almost as excellent as aurichalcum for making sesterces and double asses, the Cyprian copper being thought good enough for the as.
In der Naturkunde Buch 34, Kap. 20. erwähnt Plinius Cadmia. Cadmia ist gleichzusetzen mit Ofengalmei oder Zinkvitriol. Es war Plinius bekannt dass sich in manchen Öfen Galmei bildete und das sich dieses auch hervorragend zur Messingherstellung eignete. Außerdem erwähnt er cadmia botryitis, also Ofengalmei der sich traubenförmig im Ofen ausgebildet hat. Genau diese Formen kennen wir aus den Funden und Befunden aus Dinant in Belgien. Hier hat sich im Ofen, genauer gesagt am Ofendeckel eine dicke traubenförmige Schicht abgelagert.
Theophilus Presbyter
Die erste vollständige Beschreibung des Zementationsverfahrens finden wir bei dem hochmittelalterlichen Goldschmied und Autor Theolphilus Presbyter. Im Kapitel De compositione aeris, beschreibt Theophilus das Vorgehen beim Zementieren, und verweist darauf, dass das Metall das bei entstehe Messing (lat. aes) genannt werde, und nicht geeignet sei es zu vergolden, da es Blei (als Begleiter des Kupfers) enthalte, sich aber für vielerlei gegossene Dinge gut eigne.
Werde das Kupfer vorher gereinigt, wie im Kapitel De purficatione cupri beschrieben, erhalte man nach der Zementation ein Metall das auricalcum genannt werde. Hier treffen wir also einen Begriff wieder der seit der Antike für das Messing in Gebrauch zu sein scheint, und nun in einer engeren Definition zu verstehen ist: Als Messing ohne störende Bleianteile. Das das mittelalterliche Kupfer stets mit Blei aufzutreten scheint, liegt am Kupferlieferanten für das hohe Mittelalter: Der Rammelsberg liefert bei der Verhüttung seiner Erze ein mit Blei versetztes Kupfer .
Literatur
Juni 2nd, 2015 at 13:46
Sie schreiben: „Bei reduzierender Atmosphäre reagiert Zinkoxid zu Zink und Kohlendioxid, das aufgrund seines niedrigen Schmelzpunktes von 419 °C gasförmig vorliegt.“ Wäre es nicht so richtiger und klarer: „reagiert Zinkoxid zu Kohlendioxid und Zink, das aufgrund seines niedrigen Siedepunktes von 907 °C gasförmig vorliegt – während das Kupfer mit seinem hohen Schmelzpunkt von 1083° noch in festem Zustand bleibt“
Juni 2nd, 2015 at 14:05
Ja, das ist klarer. Vielen Dank für den Hinweis.
März 6th, 2014 at 19:04
[…] also been busy working on numerous experimental archaeometallurgy projects, such as for example medieval brass production by the ancient calamine process in Belgium or experiments on the first copper production of the world in […]
März 6th, 2014 at 14:08
[…] wissenschaftlichen archäometallurgischen Experimenten teilgenommen, wie etwa Versuche zum Messingherstellungsprozess nach dem Galmeiverfahren in Belgien oder Versuche zur frühesten Kupfermetallurgie der Welt in […]