Zementation: Experimentelle Messingproduktion nach dem Galmeiverfahren | archaeometallurgie.de

Zementation: Messingherstellung nach dem Galmeiverfahren

Bastian Asmus

Archäologie im Experiment – Zementation im Maasgebiet

Zementiertes Messing

Bild 1: Messing aus dem Zementationsprozess nach dem Galmeiverfahren. Das Messing kann durchaus im festen Zustand vorliegen. Ein Schmelzen des Messings ist keineswegs Voraussetzung für erfolgreiches Zementieren.

Im Maasgebiet im heutigen Belgien wurden im Mittelalter in großer Menge Messinggegenstände hergestellt, welche bis ins 19. Jahrhundert auch im deutschen Sprachgebrauch als Dinanderie bezeichnet wurden. Stellvertretend seien hier Grapen, Kerzenleuchter und Aquamanilien genannt. Zwischen 1995 und 2010 wurden vom Service Publique Wallonie (SPW) sechs Fundplätze der mittelalterlichen Buntmetallverarbeitung ergraben, die man mit Recht zu den bedeutendsten Metallgewerbefundplätzen des Mittelalters rechnen kann .

Tiegel der Messingzementation

Bild 2: Großalmeroder Tiegel – die hessische Tonware – für die Zementation von Messing. Projekt: Laiton Mosan.
Photograph: 2011 Nicolas Méreau © SPW D.Pat / INRAP.

Neben großen Schmelzöfen zur Zementation, sowie Installationen zur Gießerei, wurden in sehr großem Umfang Produktionsabfälle gefunden: Mehrere zehntausend Gussformfragmente von Grapen und Kerzenleuchtern, sowie mehrere tausend Schmelztiegelfragmente. Das internationale Foschungsprojekt Laiton Mosan untersucht diese Fundplätze und beschäftigt sich mit den Herstellungsprozessen, der Ökonomie, der Geschichte und Archäologie der Messingmanufakturen im Maasgebiet. Dazu gehören seit 2009 auch Feldversuche an denen ich maßgeblich beteiligt bin. Ein internationales Team unter der Leitung von Dr. Nicolas Thomas, INRAP untersucht die Parameter der Messingzementation im Experiment.

Zementation im Feldversuch

Den etwa 50 Feldversuchen gingen weitere 400 Versuche im Labor voraus um die Prozessparameter zu ermitteln. Etwa: wie hoch ist der zu erwartende Zinkgehalt? Wie lange dauert der Prozess? Welche Temperaturen sind notwendig? Wie lassen sich die Öfen kontrollieren?

Begriffsabgrenzung

Zementation ist ein Begriff der für eine Reihe metallurgischer Techniken zur Anwendung kommt:

  • Zur Herstellung von Messing nach dem alten Galmeiverfahren
  • Zur Reinigung von Gold
  • Bei der Herstellung von Tiegelstahl nach dem Wootzverfahren

Die Zementation beschreibt Vorgänge bei der entweder ein Metall einen anderen Stoff löst, oder Prozesse bei denen das Metall geschieden wird, wie etwa bei der Goldzementation. In diesem Beitrag soll nur die Herstellung von Messing nach dem Galmeiverfahren dargestellt werden . Die Zementation gehört zur Tiegelmetallurgie, d.h. die relevanten Prozesse laufen innerhalb eines Tiegels ab.

Chemische Prozesse bei der Zementation

Galmei, ist ein Sammelbegriff für diverse oxidische und silikatische Zinkverbindungen, dieser dissoziiert bei hohen Temperaturen zu Zinkoxid (ZnO) und Kohlendioxid. Bei reduzierender Atmosphäre reagieren Kohlenmonoxid und Zinkoxid zu Kohlendioxid und Zink, das aufgrund seines niedrigen Schmelzpunktes von 419 °C gasförmig vorliegt:

    \begin{align*} ZnCO_3_{(s)} & \pfeil ZnO + CO_2_{(g)} \\ ZnO{(s)} + CO_{(g)}& \pfeil Zn_{(g)} + CO_2_{(g)} \\ \end{align*}

Das gasförmige Zinkgas diffundiert in das Kupfer und bildet auf diese Weise Messing. Je nach Temperaturführung schmilzt das Messing ganz, teilweise oder gar nicht auf.  Es ist vorteilhaft wenn das Metall über den größten Teil der Prozessdauer im festen Zustand vorliegt, da auf diese Weise eine größere Oberfläche vorhanden ist die mit dem Zinkgas reagieren kann.

brass casting

Bild 3: Guss des frisch zementierten Messings in Barrenformen.
Photographie:  2011 Nicolas Méreau © SPW D.Pat / INRAP

Zementation im Spiegel der Schriftquellen

Die Zementation zur Messingherstellung mit Galmei ist mindestens seit der Römerzeit bekannt , Messing ist jedoch noch älter. Die frühesten Nachweise für Messing stammen aus dem Iran und sind ins 2. Jahrtausend vor Christus zu datieren . Die Zementation taucht bei Strabon nicht auf, wohl aber die Messingherstellung in seiner Geographika hinweist (Strab. 13.1.56).

Strabon, Dicoscorides und Theopompus

In der klassischen Antike ist Messing höchstwahrscheinlich mit dem griechischen oreichalkos gleichzusetzen . Strabon beschreibt in seinem Werk Geographika einen Ort namens Andeira in dessen Nähe  Erze vorkommen, die für die Messingproduktion in Frage kommen :

Nach Skepsis kommen Andeira und Pioniai und Gargaris. Bei Andeira gibt es einen Stein der, wenn man ihn brennt, zu Eisen wird; erhitzt man ihn dann zusammen mit einer bestimmten Erde im Ofen, dann destilliert sich falsches Silber (gr. ψευδάργυρος pseudarguros) oder sie wird mit Zusatz von Kupfer zu dem sogenannten Gemisch, das Manche Messing gr. ὀρείχαλκον oreichalkos nennen.

Plinius

Auch bei Plinius erwähnt den Zusammenhang zwischen Galmei und Kupfer und Messing, wenngleich er auch keine Prozessbeschreibung gibt. In seiner Naturkunde Buch 34, Kap 2. schreibt er:

summa gloriae nunc in Marianum conversa, quod et Cordubense dicitur. hoc a Liviano cadmean maxime sorbet et aurichalci bonitatem imitatur in sestertiis dupondiariisque, Cyprio suo assibus contentis.

That which is at present held in the highest estimation is the Marian, likewise known as the Corduban: next to the Livian, this kind most readily absorbs cadmia, and becomes almost as excellent as aurichalcum for making sesterces and double asses, the Cyprian copper being thought good enough for the as.

Bild eines Ofendeckels eines mittelalterlichen Messingzemetationsofen.

Dieses Bild zeigt die Innenseite eines mittelalterlichen Deckels eines Messingzemetaionsofens, Die innere Fläche ist mit einer dicken Schicht Zinkoxid bedeckt, die sich duch die hohe Temperatur im Ofen mehr oder weniger traubenförmig als ausgebildet hat. Im Zusammenhang mit der Zementation wurde diese Art von Ofengalmei bereits von Plinius d.Ä, in seiner Naturgeschichte als „cadmia botryitis“ beschrieben.
Copyright: L. Bâty © SPW, D. Pat.

In der Naturkunde Buch 34, Kap. 20. erwähnt Plinius Cadmia. Cadmia ist gleichzusetzen mit Ofengalmei oder  Zinkvitriol. Es war Plinius bekannt dass sich in  manchen Öfen Galmei bildete und das sich dieses auch hervorragend zur Messingherstellung eignete. Außerdem erwähnt er cadmia botryitis, also Ofengalmei der sich traubenförmig im Ofen ausgebildet hat. Genau diese Formen kennen wir aus den Funden und Befunden aus Dinant in Belgien. Hier hat sich im Ofen, genauer gesagt am Ofendeckel eine dicke traubenförmige Schicht abgelagert.

Theophilus Presbyter

Die erste vollständige Beschreibung des Zementationsverfahrens finden wir bei dem hochmittelalterlichen Goldschmied und Autor Theolphilus Presbyter. Im Kapitel De compositione aeris, beschreibt Theophilus das Vorgehen beim Zementieren, und verweist darauf, dass das Metall das bei entstehe Messing  (lat. aes) genannt werde,  und nicht geeignet sei es zu vergolden, da es Blei (als Begleiter des Kupfers) enthalte, sich aber für vielerlei gegossene Dinge gut eigne.

Werde das Kupfer vorher gereinigt, wie im Kapitel De purficatione cupri beschrieben, erhalte man nach der Zementation ein Metall das auricalcum genannt werde. Hier treffen wir also einen Begriff wieder der seit der Antike für das Messing in Gebrauch zu sein scheint, und nun in einer engeren Definition zu verstehen ist: Als Messing ohne störende Bleianteile. Das das mittelalterliche Kupfer stets mit Blei aufzutreten scheint, liegt am Kupferlieferanten für das hohe Mittelalter: Der Rammelsberg liefert bei der Verhüttung seiner Erze ein mit Blei versetztes Kupfer .

Literatur

 

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